Vorzügliche, sehr unterhaltsame Satire von Anthony McCarten
von Gérard Otremba
Sie ist wirklich ein lustiges Mädchen, die Protagonistin aus funny girl, dem neuen Roman von Anthony McCarten. Azime Gevas, oder „einfach nur Azime“, wie sie sich selbst bei ihren Auftritten als Comedian auf der Bühne nennt. Azime ist 20 Jahre jung, kurdisch-muslimischer Herkunft und wohnt seit klein auf in einem heruntergekommenen Londoner Vorort, jobbt im kurz vor dem Bankrott stehenden Möbelladen ihres Vaters, muss sich Verkupplungsversuchen ihrer Mutter erwehren und erzählt gerne Witze. Sie ist schwer aus der Familienart geschlagen, verstößt gegen alle traditionellen Konventionen und gerät in den persönlichen Zwiespalt aus Familie, Fundamentalismus, kultureller Identität und Moderne.
Ihr kluger, wacher und stets humoristischer Geist kommt nicht ganz von ungefähr zu folgenden Einsichten beim Betrachten von aufgetakelten Gleichaltrigen: „‘Wie anders als diese Mädchen ich bin‘, dachte Azime, von der Parfümwolke umweht, die die Mädchen hinter sich herzogen. ‚Fast schon ein andere Spezies. Schau mich an, eine zwanzigjährige Jungfrau, unberührt, ungeküsst! Während die da vor mir – klemm ihnen die Eileiter ab, und sie würden immer noch schwanger von Jungs, von denen sie nicht mal den Nachnamen kennen‘“. Und dieser Humor ist Azimes Rettung. Als aufmüpfige, rebellische Außenseiterin freundet sie sich mit dem gleichgesinnten Deniz an, und durch den mysteriösen Tod einer kurdischen Schulfreundin sowie den Terroranschlägen auf die Londoner U-Bahn aufgerüttelt, wagt sich Azime, durch einen Comedy-Kurs vorbereitet, als erste muslimische Comedian auf die Bühne. Neben ihren interkulturellen Texten wird die sonst verhasste, aber hier wirkungsvolle Burka zu ihrem Markenzeichen.
Ihr durch soziale Netzwerke ermöglichter Popularitätsschub ruft selbstverständlich die Fundamentalisten auf den Plan, die vor Morddrohungen nicht zurückschrecken und Azime die Kehrseite der Medaille spüren lassen. Hilfe und Schutz erfährt die Halbverstoßene Azime dann ausgerechnet doch von ihrer Familie, die über ihren Schatten springt und Loyalität beweist. Der in Neuseeland geborene und in London lebende Anthony McCarten erzählt die Geschichte von funny girl als augenzwinkernde Satire, durchzogen von Ironie und zynischen Seitenhieben, den ernsten Hintergrund nicht vernachlässigend, kaum eine Seite jedoch kommt ohne seinen charmanten bis pointierten Witz aus. Vorurteile und Klischees werden von McCarten ad absurdum geführt, von schallenden Lachern des Lesers begleitet. Im Roman funktioniert die Idee McCartens. Bleibt zu hoffen, dass sich funny girl als eine beispielhafte Lektüre etabliert, lesenswert ist dieses Buch auf alle Fälle. Wer intelligente, erheiternde, unterhaltsame Literatur mag, ist bei Anthony McCarten in besten Händen.
Anthony McCarten: „funny girl“, Diogenes Verlag, Hardcover, 978-3-257-86240-9, 21,90 €.