Peter Ames Carlin: Bruce

Die ultimative Bruce Springsteen-Biographie

von Gérard Otremba

130204_01_Bruce_SU_ak.indd

Nun ist die Ikonographie Springsteens perfekt. Peter Ames Carlin verzichtet beim Titel seiner überaus lesenswerten Biographie über die lebende Rock’n’Roll-Legende aus New Jersey auf den Nachnamen. Das kennt man in der musikalischen Geschichtsschreibung bisher wohl nur von Elvis. Hier weiß sofort jeder, dass es sich um Presley handelt, aber kein Bob, kein Neil, kein John, kein Paul, kein Mick, kein Keith hat diese Stilisierung seiner Person erhalten. Okay, das Photo macht natürlich klar, das es sich bei diesem 600-Seiten Werk nicht um Willis oder Lee handelt. Mit diesem Titel zeigt Carlin letztendlich den Stellenwert, den Bruce Springsteen genießt. Die seit Jahrzehnten in allen Hallen und Stadien zu hörenden, langanhaltenden „Bruuuuuce“-Rufe seiner Fans haben diesen Wiedererkennungswert erst möglich gemacht. Ohne Springsteens herausragende Musik funktionierte die Verehrung des 63-jährigen Songwriters natürlich auch nicht. Jedoch ist Carlins Buch keine Fan-Huldigung, die die Schattenseiten der Person Springsteen ignorieren würde. Dessen Hang zur übertriebener Eifersucht in Beziehungen zu Frauen, sein kontroll-herrisches Gebaren seinen Mitmusikern gegenüber und auch seine immer wieder auftauchenden depressiven Züge und deren Folgen sind ebenfalls Gegenstand von Carlins Ausführungen. Zum besseren Verständnis der Privatperson und des Musikers Bruce Springsteen, beleuchtet Peter Ames Carlin ausführlich die Kindheit und musikalische Frühphase des Rock-Helden. Dass Bruce Springsteen auch für Carlin eine Herzensangelegenheit ist, zeigt sein betont umsichtiger und einfühlsamer Ton. Aber wie es sich gehört, steht die Musikkarriere im Mittelpunkt. Von den Anfängen mit den „Castiles“, über „Earth“, hin zu „Child“, „Steel Mill“ und letztendlich der Aufstieg mit der E-Street-Band. Man ist dann auch schon mit der Hälfte die Biographie durch und Carlin steckt noch immer in der „Born To Run“-Phase fest. Doch liest sich „Bruce“ mithin wie ein Roman und allein eben jene Kapitel rund um die Entstehung eines von Springsteens zahlreichen Meisterwerken und des nationalen Durchbruchs ist das Lesen dieses Buches wert. Die Fertigstellung von „Born To Run“ hat sich nun mal hingezogen, es war das ominöse dritte Album, zeigte Springsteens perfektionistische Seite, die bei Aufnahmen zukünftiger Alben immer eine Rolle spielte und manch andere beteiligte Personen an den Rand der Erschöpfung brachte. Wie Bruce Springsteen zum internationalen Superstar ohne Starallüren  aufstieg und trotzdem immer noch glaubwürdig der Kumpel von nebenan geblieben ist, dokumentiert Carlin in den nächsten Kapiteln eindrucksvoll. Und das große, manchmal bewußte Mißverständnis zum Song „Born In The U.S.A.“, das auch leider zur politischen Okkupation durch Ronald Reagan führte, wird hier auch für den letzten Falschinterpreten aufgeklärt. Peter Ames Carlins Springsteen-Biographie „Bruce“ ist für alle Fans ein Muss, für alle Novizen ein perfekter Einstieg und in der Essenz mit der Bob Dylan-Biographie von Robert Shelton auf eine Stufe zu stellen. Jon Landau, ehemaliger Musikjournalist und späterer Manager und Produzent Springsteens, sah in ihm „die Zukunft des Rock‘n’Roll“. Es waren die wohl prophetischsten Worte in der Musikbranche, die Springsteen ohne Tadel einlöste, obwohl ihm dieser Satz damals, 1974, eher verärgerte. Doch das Schöne: Die Zukunft ist jetzt. Und von der Live-Qualität Springsteens können sich alle bei den vier Auftritten in Deutschland (26.05. München, 28.05. Hannover, 05.07. Mönchengladbach, 07.07. Leipzig) überzeugen. Den besten Live-Musiker aller Zeiten sollte man nicht verpassen.

Peter Ames Carlin: „Bruce“, Edel / Rockbuch-Verlag, Hardcover, 978-3-8419-0191-0, 24,95 €

Kommentar schreiben