ZZ Top: The Complete Studio Albums 1970-1990

Alle ZZ Top-Alben von 1970 bis 1990 in einer Box

von Gérard Otremba

zz top
Wer seine ZZ Top-Sammlung noch nicht komplett hatte, kann nun mit dieser wunderbaren kleinen Box, die die ersten zehn Studioalben der texanischen Blues-Rock-Boogie-Formation enthält, nachrüsten. Sie zeigt Sänger und Gitarrist Billy Gibbons, Sänger und Bassist Dusty Hill sowie Schlagzeuger Frank Beard in unterschiedlichen Stadien ihrer musikalischen Entwicklung, die einige ganz vorzügliche Alben hervorbrachte, einige mittelmäßige und zwei schlechte.

Von ZZ Top’s First Album bis zu Fandango!

Auf ZZ Top’s First Album von 1971, Gibbons und Hill noch ohne ihre langen Bärte, spielen die drei typischen Blues-Rock der Seventies. Mal cool, mal bräsig, mal dumpf, mal hart. Nichts außergewöhnliches, aber solide und der Südstaaten-Twang wird angedeutet. Mit „Francine“ dem ersten Song von Rio Grande Mud, bringen ZZ Top ihren Rock zum Rollen. In „Just Got Paid“ sind durchaus Black Sabbath-Einflüsse zu vernehmen und die Boogie-Roll-Gitarre in „Bar-B-Q“ wird zum typischen Merkmal des Southern-Rock von ZZ Top. Von den beiden Alben sowie von Tejas gibt es zum ersten Mal die Original-Audio-Tape-Versionen auf CD. Als erstes absolutes Highlight kristallisiert sich dann das dritte Album, Tres Hombres von 1973, heraus. Nicht nur, dass sie mit „La Grange“ ihren ersten Hit und einen unwiderstehlichen Rock-Stampfer komponierten, die Songs orientieren sich wesentlich deutlicher an den Vorbildern und Blues-Heroen Muddy Waters und B. B. King („Waitin‘ For The Bus“, „Jesus Just left Chicago“). Und wer immer noch nicht wußte, für wen ZZ Top eigentlich Musik machten, der Titel des dritten Songs („Beer Drinkers & Hell Raisers“) beseitigte alle Unklarheiten. Zweifellos die beste Platte von ZZ Top aus den 70er Jahren. Einen leicht gespaltenen Eindruck hinterläßt Fandango!, ein Album, das mit Live-Aufnahmen beginnt und die drei Texaner als Hardrock-Combo präsentiert. Mit „Tush“ gelingt den Herren noch ein zweiminütiger All-Time-Favorite. Auch diese Alben nun im Original-Master in der Box erhältlich.

ZZ Top in der Zeit zwischen Tejas und El Loco

Neue Töne sind dann auf Tejas zu hören. Der Song „El Diablo“ erklingt in einem düsteren, wunderbaren Country-Noir-Sound, die Fidel bei „She’s A Heartbraker“ untermauert die Country-Einflüsse und in „Asleep In The Desert“ wird es einem bei den spanischen Gitarrenklänge richtig wehmütig ums Herz. Diese Veränderungen hatten Stil und Klasse. Mehr als gewöhnungsbedürftig allerdings dann die nachfolgende Platte Degüello. ZZ Top spielen zwar auch noch lässigen Blues-Rock („I Thank You“), verheddern sich aber anschließend in einigen albernen und absurden Keyboard-Spielereien („Manic Mechanic“)und verlieren den Blick für das Wesentliche. Ein erster wirklicher musikalischer Tiefpunkt. Die Übergangsphase in die 80erJahre war für viele alteingesessene Künstler mit Problemen behaftet, bei ZZ Top war es nicht anders. Vielleicht ließen sich Gibbons und Hill auch deswegen lange Bärte wachsen. Diese waren 1981 auf dem El Loco-Cover in prächtiger Blüte, die auf der Platte enthaltenen Lieder waren es definitiv nicht. Mit Ausnahme des mit viel Drive versehenen „Tube Snake Boogie“ und dem fluffig-verträumten Pop-Song „Leila“ macht sich gepflegte Langweile breit. Die Gitarrenarbeit orientiert sich an den Zeitgeist von Mark Knopfler, ohne dessen Virtuosität auch annähernd zu erreichen. Diese Platte bleibt merkwürdig befremdlich und steril. Um mit den Worten von Rudi Völler zu sprechen: „Noch ein tieferer Tiefpunkt“.

Das Meisterwerk Eliminator sowie die Alben Afterburner und Recycler

Umso erstaunlicher die Wendung zum Positiven zwei Jahre später. Mit Eliminator feiern ZZ Top 1983 eine grandiose Auferstehung und spielen ihr nach wie vor bestes Album ein. Staubtrockene, schneidige Gitarrenriffs, vorwärtstreibende Bassläufe und Drums sowie eine Spur Popappeal machten aus „Gimme All You Lovin“, „Got Me Under Pressure“ und natürlich vor allem aus „Sharp Dressed Man“ und „Legs“ unvergleichliche Hammer-Hits, die auch nach 30 Jahren nichts von ihrer Spannkraft verloren haben. Die dazugehörigen Videos auf MTV trugen ein weiteres Scherflein zur Popularität von ZZ Top bei, die augenzwinkernde und ironische Coolness der drei suchte ihres gleichen. Der internationale Durchbruch jedenfalls war geschafft. Mit Afterburner stürmten sie noch höher in die Charts, verglichen mit Eliminator zwar sehr synthesizerlastig, Songs wie „Sleeping Bag“, „Stages“, oder „Rough Boy“ jedoch massenkompatibel genug. Recycler, die letzte in dieser Clamshell-Box befindliche CD, überzeugte durch einen straighten und schnörkellosen, typischen ZZ Top-Rock’n’Roll. Kein Eliminator, aber immerhin noch die beste Platte bis La Futura. Trotz der zwei besagten Aussetzer natürlich ein wunderbares Geschenk für alle Blues-Rock-Freunde und wer schon alle CDs hat, kann nun die überflüssigen Plastikhüllen entsorgen und sich an den neuen Pappschubern erfreuen.

ZZ Top: The Complete Studio Albums 1970-1990 ist am 07.06.2013 bei Warner Music erschienen.

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