Nick Cave & The Bad Seeds: Push The Sky Away

Brillantes neues Nick Cave-Album

von Gérard Otremba

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Wäre “Push The Sky Away” 2003 als Folgealbum zu “No More Shall We Part” erschienen, es wäre der perfekte Abschluss einer grandiosen Romantik-Trilogie Nick Caves geworden. Nun hören wir die poetischen, dunklen Songs zehn Jahre später und fühlen uns sofort an „The Boatman’s Call“ und eben „No More Shall We Part“ erinnert.

Nick Caves Zeit zwischen „Nocturama“ und „Dig, Lazarus, Dig“

Nicht dass das 2003 veröffentlichte Werk „Nocturama“ keine romantischen Lieder mehr gehabt hätte, wie die wunderbaren „Wonderful Life“, „He Wants You“ oder „Still In Love“ beweisen. Jedoch gerieten „Dead Man In My Bed“ und das nicht enden wollende „Babe, I’m On Fire“ vergleichsweise zu gewaltigen infernalischen Ausbrüchen, wie man sie aus den beiden Vorgängeralben nicht kannte. Der ein Jahr später folgende Doppelpack „Abattoir Blues / The Lyre Of Orpheus“ war natürlich auch nicht als direkte Fortsetzung von „No More Shall We Part“ auszumachen. Ebenso wenig wie „Dig, Lazarus, Dig“ von 2008, auf dem sich die Bad Seeds austoben durften wie schon lange nicht mehr. Großartige Songs komponierte Cave nach wie vor, man höre sich nur mal wieder „Get Ready For Love“, „Nature Boy“ oder „We Call Upon The Author“ an. Nachdem sich der australische Sänger und Dichter in den letzten Jahren an einem Roman („Der Tod des Bunny Munro“) und diversen Sideprojekten wie Grinderman und obskuren Soundtracks ausgetobt hat, hat es fünf Jahre gedauert, bis mit „Push The Sky Away“ eine neue Bad Seeds-Platte erschienen ist. Doch Caves Begleitband ist auf das Nötigste reduziert und Cave rezitiert seine Texte mehr als er sie singt.

„Push The Sky Away“ brilliert mit erhabener Schönheit und bedrohlicher Romantik

Der Eröffnungssong „We No Who U R“ eine anmutige Neuauflage von „Lime Tree Arbour“, mit entzückenden Backing Vocals versehen, zu tiefst unter die Haut gehend, eine Romantik, die die Seele offen legt. Bei „Wide Lovely Eyes“ sind die Bad Seeds noch minimalistischer unterwegs, die Bühne gehört dem Dichter und der entrückten Schönheit. „Water’s Edge“ erreicht schon fast die finstere, bedrohliche Atmosphäre von „The Carny“. Caves Romantikverständnis ist natürlich weit von seichten Kitschgefilden entfernt. Ein „thrill of love“, wie in „Water’s Edge“, verfolgt ihn mindestens und die Geige von Warren Ellis wimmert herzzerreißend. In „Jubilee Street“ zeigt Cave seine Seelenverwandtschaft zu Stuart Staples auch musikalisch. Eine sich ins Dramatische aufbauende Ballade, die Bad Seeds spielen kompakt als Band, bis zum opulent-bombastischen Finale, wie ihn sonst die Tindersticks zelebrieren. „Mermaids“ fasziniert ob der erhabenen Schönheit, filigran, elegisch, verzaubernd und betörend. „We Real Cool“ entpuppt sich als noch so ein „Carny“-artiges Drama, mit einem todtraurigen Ellis-Geigenspiel. „Finishing Jubilee Street“, das große Rezitat, der Spoken-Word-Song, ein eintöniges Schlagzeug, verträumte Backing Vocals. Und dann der „Higgs Boson Blues“, ein Blues, wie ihn nur Cave hinbekommt. Völlig durchgeknallte Lyrics („Hannah Montana does the African Savannah“) treffen auf durcheinanderwirbelnde Bad-Seeds-Mitglieder, stolpernd dem Abgrund entgegen. Der abschließende Titelsong „Push The Sky Away“ schwebt mit sphärischen Keyboards und samtenen Frauenstimmen hinfort. Wieder einmal beweist Nick Cave seine Klasse und katapultiert sein neues Album „Push The Sky Away“ in die Nähe des Meisterwerks „No More Shall We Part“.

„Push The Sky Away“ von Nick Cave & The Bad Seeds ist am 15.02.2013 bei Bad Seed / Rough Trade erschienen.

 

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