Paul McCartney: RAM – Remastered Version

Paul McCartney auf dem Weg von den Beatles zu den Wings

 von Gérard Otremba

Paul McCartney wird am 18.6. 70 Jahre alt. Eigentlich unfaßbar, verströmt er doch immer noch diesen juvenilen Schwiegersohn-Charme. Wie macht er das bloß? Oder stimmt es am Ende doch, dass Erfolg sexy macht? Erfolge feierte der gute „Macca“ wie Sand am Meer. Jedes Beatles-Album war ein Erfolg und damit meine ich nur den musikalischen Aspekt, der finanzielle steht noch mal gesondert für sich. Erfolgreich war auch „RAM“, das zweite Solo-Album von Paul McCartney aus dem Jahre 1971. Platz 1 in Großbritannien und Platz 2 in den USA sprechen für sich. Nun sollte man davon ausgehen, dass die Solo-Platten der Beatles-Mitglieder in der Frühphase der Post-Beatles-Ära reine Selbstläufer waren. Viel zu interessant für alle Fans, die Beatles-Köpfe John Lennon und Paul McCartney gegeneinander auszuspielen, oder wenigstens vergleichend gegenüberzustellen. Und natürlich werden Genies wie McCartney und Lennon an immer an ihren besten Werken gemessen.

Nur sind eben diese Großtaten zumeist als Gemeinschaftsarbeit und unter dem Namen der Beatles entstanden. Löst man sich als Hörer von seiner Erwartungshaltung, auf jedem neuen Album ein „Eleonar Rigby“, ein „Yesterday“, ein „Let It Be“, oder ein „Get Back“ von Paul McCartney hören zu wollen, geht man wesentlich entspannter an seine Solo-Werke und wird erkennen, dass auch „RAM“ einige vorzügliche Songs zu bieten hat. Ganz große Kunst bieten Paul und Linda McCartney, die an diversen Stücken mitgeschrieben hat, bei „Uncle Albert/Admiral Halsey“. Dieser Song besitzt die genialen Albernheiten, die wir schon am „White Album“ so liebten. Ständige Rhythmuswechsel, McCartneys Stimmenmodulationen, orchestrale Begleitung, ein Mitschrei-Refrain, einfach großes Kino. Aber auch das aggressive „Too Many People“, der Glam-Rock-Pop von „Smile Away“, das von Honkytonk-Piano angetriebene „Monkberry Moon Delight“, der lässige Hitparaden-Pop von „Eat At Home“ und das typisch McCartney-Sehnsüchtige in „The Back Seat Of My Car“ können sich auch nach 41 Jahren wahrlich hören lassen. Aus der nun vorliegenden Bonus-CD sollte man sich unbedingt zwei Songs reinziehen. Könnte „Oh Woman, Oh Why“ noch aus der Beatles-White-Album-Session stammen, so schwingt McCartney für „Rode All Night“ mal mächtig die Keule. Dieser fast neun Minuten dauernde Prog-Rock-Blues-Jam erinnert mehr an Led Zeppelin und die Doors als an die Beatles. So hört man Paul McCartney eher selten. „RAM“ zeigt Paul McCartney in seiner Zwischenphase von den Beatles hin zu den Wings. Zwar auch als Schafe züchtenden Privatmenschen (siehe Booklet), aber eben auch mit einigen abgefahrenen musikalischen Ideen.

Paul McCartney: RAM – Remastered Version (Hear Music / Universal)

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