The Gaslight Anthem live in der Hamburger Sporthalle

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Raubaukenrock aus New Jersey

von Gérard Otremba

Die Support-Acts von The Gaslight Anthem haben es wahrlich in sich. Begeisterte vor zwei Jahren ein entfesselter Chuck Ragan das Publikum in der Großen Freiheit, so legt diesmal Dave Hause eine hinreißende One-Man-Rock’n‘Roll-Show hin. Vehement vorgetragene Songs, wahlweise mit der elektrischen oder akustischen Gitarre, die an The Clash, Billy Bragg oder natürlich Bruce Springsteen erinnern. Den Eingeweihten ist Hause natürlich kein Unbekannter, war es doch mit besagtem Chuck Ragan, Brian Fallon sowie Dan Adriano mit der Revival Tour unterwegs.

Die Blood Red Shoes als zweite Vorgruppe

Zu der Gitarre gesellt sich anschließend bei den Blood Red Shoes noch ein Schlagzeug. Und dass Steven Ansell ein richtiger Hau-Drauf-Drummer ist, beweist er in den folgenden 35 Minuten. Zusammen mit Laura-Mary Carter läßt er die Hamburger Sporthalle mächtig erbeben. Manchmal klingen die Blood Red Shoes wie die Speed-Variante der White Stripes, der Beat wird ständig vorwärtsgetrieben, doch was sollen die zwei denn auch tun? Songs wie „Don’t Ask“, „Light It Up“, „Heartsink“ oder „I Wish I Was Someone Better“ können halt nicht anders, als mit der nötigen Wucht gespielt werden. Die Blood Red Shoes machen schon ziemlich coolen Indie-Rock, keine Frage.

The Gaslight Anthem als laute, wilde Rabauken

Lauten Rock’n’Roll spielen The Gaslight Anthem natürlich ganz bevorzugt. Die Herren aus New Jersey beginnen das Konzert mit „Mae“, der opulenten Hymne ihres neuen Albums „Handwritten“. Ganz klar, Stadionrock. So weit sind Sänger und Gitarrist Brian Fallon, Gitarrist Alex Rosamilia, Bassist Alex Levine sowie Schlagzeuger und Geburtstagskind Benny Horowitz, der im Verlauf des Konzerts selbstverständlich ein fettes „Happy Birthday“ zu hören bekommt, noch nicht (ganz). Aber auf dem besten Weg. Immerhin erreichte „Handwritten“ sowohl in Deutschland also auch in den UK-Charts Platz 2, in den USA Platz 3. So viel Luft nach oben haben The Gaslight Anthem gar nicht mehr. Nach der Hymne „Mae“ geht es dann aber Schlag auf Schlag. The Gaslight Anthem reihen einen unbehauenen Rock’n’Roll-Knaller an den anderen. „The `59 Sound“, „Handwritten“, „Old White Lincoln“ und „`45“ rasseln entfesselt los, man kommt überhaupt nicht zum Atemholen, die Anlage gefühlt bis zum Anschlag aufgedreht, laut, wild und rabaukig. In diesem Tempo geht es mit „Boomboxes And Dictionaries“, „Howl“ und „I’da Called You Woody, Joe“ sofort weiter.

90 Minuten Rock’n’Roll-Enthusiasmus

Erst mit dem Blues-Rock von „Angry Johnny And The Radio“ und „Film Noir“ macht sich eine leichte Geschwindigkeitserholung bemerkbar. Doch der wunderbar hemdsärmelige Rock’n’Roll von „Casanova, Baby“, „Desire“ und „Señor And The Queen“ rast anschließend wieder um die Wette durch die Sporthalle. Dass Brian Fallon und seine Streiter nicht nur begnadete Hochgeschwindigkeits-Rock’n’Roller sind, zeigt die sehr gelungene Coverversion von Bob Dylans „Changing Of The Guards“. Mit „The Queen Of Lower Chelsea“ und „Here’s Looking At You, Kid“ gibt es tatsächlich noch eine Art ruhige Seite der Band zu bestaunen, bevor das fesselnde „The Backseat“ das Konzert beendet. Bester Bruce Springsteen-Rock aus den End-70ern. Die erste Zugabe „She Loves You“ fast schon leise und verspielt, bevor der Auftritt mit „Mullholland Drive“, „American Slang“, „Astro Zombies“ (einem Misfits-Cover) und „Great Expectations“ standesgemäß laut und schnell sein endgültiges Ende findet. 90 Minuten Rock’n’Roll-Enthusiasmus sind dann leider vorbei.

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