Kritik zu Bruce Springsteen im Berliner Olympiastadion

Bruce Springsteens dritte Rock’n’Roll-Messe in Deutschland

von Gérard Otremba

Nach den Konzerten in Frankfurt und Köln, begeistert Bruce Springsteen bei seinem dritten Deutschland-Konzert seine Fans in Berlin. Auch in der Hauptstadt legt er zusammen mit der E-Street-Band einen umjubelten dreistündigen Auftritt im ausverkauften Olympiastadion hin.

Bruce Springsteen und seine Rock’n’Roll-Lawine

Bruce Springsteen, der Rock-Titan aus New Jersey, hat auf seiner diesjährigen Europatournee eine Rock’n’Roll-Lawine losgetreten, wie sie es schon lange nicht mehr zu bewundern gab. Seine Deutschland-Gigs 2008 und 2009 waren ja schon großartig, aber die Shows 2012 kann man nur noch als phänomenal bezeichnen. Die große musikalische Überraschung steht gleich am Anfang des grandiosen Abends, Springsteen beginnt mit „When I Leave Berlin“, ein Stück des englischen Folksängers Wizz Jones. Eine wunderbare Verbeugung vor der Stadt Berlin und des anwesenden Publikums. „We Take Care Of Our Own“ und der Titelsong seines neusten Albums „Wrecking Ball“, zwei opulente Hymnen, die ein Stadion zum Beben bringen, schließen sich an. Vielleicht ist Springsteens Zorn über die Banker und Finanzjongleure, der den Texten von „Wrecking Ball“ zugrunde liegt, der Antrieb für seine energiegeladenen Shows. Schließlich wird der „Boss“ dieses Jahr noch 63, in manchen Ländern gönnt man sich da schon mal die Rente.

„The Boss“ als volksnaher Held

Bruce Springsteen jedoch macht weiter und präsentiert sich als der volksnahe Held, der mit seiner Leidenschaft Fans und Kritiker gleichermaßen zu überzeugen weiß. Er genießt das Bad in der Menge, läßt sich bei „Sprit In The Night“ auf Händen tragen, läuft wie ein Besessener von links nach rechts über den Steg, klatscht die ersten Reihen ab, wird von vielen seiner Anhänger so lange wie möglich festgehalten, für Bruce ist das alles kein Thema, die Interaktion mit seinem Publikum ein fester Bestandteil seiner Konzerte. Natürlich darf auch in Berlin ein kleines Kind seine Sangeskünste beim Refrain von „Waitin‘ On A Sunny Day“ zum Besten geben und bei „Dancing In The Dark“ zwei Damen voller Entzücken ein Tänzchen mit dem Meister vollführen. Die erste Strophe von „Hungry Heart“ darf das Publikum schmettern, die „Oh-Oh-Oh-Oh-Oh“-Chöre zu „Badlands“ gehören zum festen Repertoire der Fans. Das ruhige, aber eindringliche „My City Of Ruins“ ist samt Bandvorstellung ein absolutes Konzert-Highlight. Weitere Songs des aktuellen Albums, wie „Death To My Hometown“, „Jack Of All Trades“, “Shackled And Drawn” und “Rocky Ground” bringen Pathos, Gospel, Soul und Rock in die von Springsteen ausgerufene “House-Party in Berlin”.

Bruce Springsteen, die E-Street-Band und das Publikum gemeinsam in Ekstase

Das Jimmy Cliff-Cover „Trapped“ sowie „Youngstown“, „Johnny 99“ und „Working On The Highway“ sind entfesselte Rock’n’Roll-Nummern, während “Save My Love”, eines der vielen fabelhaften auf “The Promise” erschienenen Outtakes der “Darkness”-Sessions, den großen Romantiker Springsteen zeigt, der mit „The River“ die Romantik in tiefe Abgründe gleiten läßt. Eine wahrlich schmerzhafte Version. Mit „The Rising“, „Lonesome Day“ und „We Are Alive“, versehen mit einem herrlichen „Ring Of Fire“-Klau, biegen Springsteen und die E-Street-Band auf die Zielgerade. Bei „Thunder Road“, Springsteens wahrscheinlich immer noch aussagekräftigsten Song aller Zeiten, ist lautes Mitsingen gefragt, das sich im Zugabenteil durch weitere „Boss-Klassiker“ wie „Born In The U.S.A.“, „Born To Run“, „Glory Days“ und „Dancing In The Dark“ erstreckt. „Seven Nights To Rock“ treibt die Ekstase in weitere Höhen und beim abschließenden „Tenth Avenue Freeze-Out“ wird wie üblich dem verstorbenen Clarence Clemons gedacht. Zusammen mit seiner perfekt aufeinander eingestimmten und dynamischen E-Street-Band, von den alten Haudegen Gary W. Tallent am Bass, Max Weinberg am Schlagzeug, Roy Bittan am Piano, Steve van Zandt und Nils Lofgren an den Gitarren über die neueren Mitglieder Soozie Tyrell an der Geige und Charlie Giordano am Keyboard, der für den ebenfalls verstorbenen Danny Federici in die Band gelangte, bis hin zu der Horn-Section, in der Jake Clemons, Neffe von Ikone Clarence, ein grandioses Saxophon-Spiel bietet, dem Perkussionisten und dem Chor-Duo, liefert Bruce Springsteen mal wieder ein ultimatives Rock’n’Roll-Erlebnis. Dafür lieben und bewundern wir ihn und alle die dabei waren, werden diesen Abend so schnell nicht vergessen.

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