The Charcoal Sunset: The Charcoal Sunset

Feinster Americana-Folk-Rock aus Berlin

von Gérard Otremba

 Nichts, aber rein gar nichts, läßt beim Hören des Debüt-Albums von The Charcoal Sunset darauf schließen, daß es sich hier um eine deutsche Band handeln könnte. Viel zu sehr bedienen sich die vier Musiker im großen Fundus des amerikanischen Liedguts, als daß deutsche Musikeinflüsse erkennbar wären.

The Charcoal Sunset in der Tradition von Bob Dylan, Neil Young und Bruce Springsteen

Und das ist schön und gut so. Denn was Sänger Juri Member (schönes Wortspiel), Gitarrist Marlowe Regard, Bassist Zip und Schlagzeuger Norman Jakobsen auf ihrem Debüt-Album abliefern ist aller Ehren wert und wird Freunde der Musik von Neil Young, Bob Dylan, Tom Petty, Bruce Springsteen und Ryan Adams sicherlich begeistern. The Charcoal Sunset spielt old school Rock’n’Roll der besseren Sorte. Schon der Opener „In Your Garden“ wuchert mit ausfransenden und vehementen Gitarrenklängen und einer dringlichen von Sänger und Songwriter Juri Member gespielten Mundharmonika. Bei „Glenn Gould“ perlen die Gitarren verspielt und laid back, Streicher sorgen für das nötige Pathos, Juris Members prägnante Stimme, immer leicht zwischen pathetischer Opulenz und leichter Larmoyanz pendelnd, ohne jedoch in Selbstmitleid zu verfallen, gibt dem Song die stimmliche Substanz, eine Hammond-Orgel veredelt diesen wunderbaren Song.

Sänger Juri Member schreibt romantische, aber hoffnungslose Texte

Die verträumte und melancholische, Piano geprägte Ballade liefern The Charcoal Sunset mit „The White Lie“. Zwar bäumt sich der Track zum Ende hin mächtig auf, bleibt aber trost- und hoffnungslos: „I just spread my wings and fly, to find my darkened lover, to lay my head, to lay my head and die“. Überhaupt sind Juri Members Texte alles andere als optimistisch. Hier weiß der Texter aber ganz genau, daß Romantik nicht unbedingt ein Endzustand sein muß, daß immer die Suche dazugehört, Verlassenwerden, Trauer, Liebe, Ungewißheit Bestandteile des Rock’n’Roll sind und andere aus dieser Sinnsuche und Identifikation dann doch Kraft schöpfen. Und aus diesen Themen haben Songwriter wie Springsteen fette Karrieren gebastelt.

The Charcoal Sunset zwischen Blues-Rock und Stadionhymne

„In Your Time Of Dying“ hört sich natürlich auch nicht gerade aufbauend an und verweist logischerweise auf Bob Dylan und Led Zeppelin. Klingt aber wesentlich fröhlicher als es der Titel erahnen läßt und pendelt sich zwischen Springsteen du Ryan Adams ein. „Better View“ und „Phantoms“ überzeugen mit einem kraftvollen, straighten Blues-Rock-Shuffle, während „Let It Happen, Let It Pass“ dieser unwiderstehliche Dylan-Country-Roll inne wohnt. Ein großartiges Arrangement gelingt der Band bei „Longitude, Pt.2“, wo der Geist eines Gram Parsons über den Song wacht. „Missed Connections“ ist wieder ohrwurmträchtiger Springsteen-Rock-Pop und mit „Maelstrom“ hat Juri Member schon mal die große Hymne komponiert, die nach Stadion und dem bunten Meer von Feuerzeuglichtern schreit. Fast schon unaufgeregt beendet „Black Letters“ ein mehr als hörenswertes erstes Album von The Charcoal Sunset, einer Berliner Band, an die wir uns zukünftig sicherlich erinnern werden.

Das Debüt-Album von The Charcoal Sunset ist im April 2011 bei RadioTransmissionMusic/Rough Trade erschienen.

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