The Head And The Heart: The Head And The Heart- Album Review

Erfrischender Neo-Folk-Rock

von Gérard Otremba

Die amerikanische Stadt Seattle steht musikalisch gesehen wahrscheinlich immer noch als Synonym für den schön lärmenden Gitarrenrock, auch Grunge genannt. Nirvana und Pearl Jam haben sich als Speerspitzen dieser Stilrichtung in die Ruhmeshallen gespielt. Interessanterweise scheinen 20 Jahre nach „Nevermind“ und „Ten“ nun die leiseren Töne aus dem nordwestlichen Zipfel der USA die Welt zu erobern.

New Folk aus Seattle mit den Fleet Foxes und The Head and the Heart

Nachdem die wunderbaren Fleet Foxes mit „Helplessness Blues“ bereits das zweite vorzügliche Indie-Folk-Pop-Album auf dem Markt plaziert haben, erschien fast zeitgleich das Debut-Album von The Head and the Heart. Und auch diese Seattle-Formation hat den Dreh raus, die Hörer mit fabelhaften Americana-Songs zu verführen. Während die Fleet Foxes die frische Waldluft durch ihre Songs wehen lassen, klingen The Head and the Heart erdverbundener und dem Folk-Rock eines Ryan Adams wesentlich näher. Schon die ersten beiden Songs, „Cats and Dogs“ sowie „Coer d’Alene“, beweisen die musikalische Vielfalt dieser Band. Das Strophe-Refrain-Strophe-Spiel scheint The Head and the Heart fremd oder wenigstens egal zu sein. Vielmehr variieren sie immer wieder das Tempo, setzen geschickt Breaks ein, und obwohl den Songs eine durchgehende Melancholie eigen ist, schwingt in ihnen eine beherzte Tanzbarkeit.

The Head and the Heart auf den Americana-Pfaden von Ryan Adams

Die Musik von The Head and the Heart lebt durch die Harmonievocals von Jonathan Russell, Josiah Johnson und Charity Rose Thielen, die sich gerne auch bei den Leadvocals abwechseln, durch das unaufgeregte Bass-Spiel von Chris Zasche, dem dezenten, aber punktgenauen Schlagzeugeinsatz von Tyler Williams und den Pianoläufen von Kenny Hensley. Hinzu kommen die akustische Gitarre und ein herzerweichendes Violinenspiel von Charity Rose Thielen. UUUhhhh- und Lalala-Hintergrundchöre verstehen sich schon fast von selbst. Von den zehn sehr guten Liedern ragen zwei noch heraus. Zum einen ist da „Down In The Valley“. Eine gar liebliche Akustische stimmt den Song ein, Jonathan Russell moduliert seine Stimme nun wirklich in bester Ryan Adams-Manier, dessen „Sweet Carolina“ einem sofort in den Ohren liegt, auch Cory Chisel gibt eine gute Referenz ab. Traurige Violinenklänge mischen sich ein, nach zwei Minuten nimmt der Song durch die einsetzende Bass-Drum im gemäßigten Rahmen Fahrt auf, die restlichen Instrumente fallen in den Reigen ein, ganz wichtig auch hier Hensleys Piano. Das die Spannung haltende Crescendo wird durch überlegte Breaks nur noch gesteigert. Das Barmende und Flehende in Russells Stimme nimmt Herz, Bauch und Kopf des Hörers in Beschlag, ein großes Musikfest.

The Head and the Heart bewerben sich für den Titel „Newcomer des Jahres“

Zum anderen gibt es da „Lost In My Mind“. Wiederum fasziniert Jonathan Russell mit seiner inbrünstigen Ryan Adams-Stimmlage, das bekannte Instrumentarium schaukelt sich gegenseitig hoch, die Titelzeile fungiert zum Ende des Songs als überschwengliches Mantra, der Rhythmus lädt zum Tanzen, Springen und Jubilieren ein. Und doch darf man natürlich nicht „Ghosts“ vergessen, mit diesem großartigen Piano-Shuffle Marke The Beatles während der White Album-Phase. Oder die innigen Klagegesänge von Charity Rose Thielen bei „Rivers and Roads“, die Zärtlichkeit im „Winter Song“, die Emphase bei „Honey Come Home“, die Euphorie bei „Sounds Like Hallelujah“ und die Erhabenheit von „Heaven Go Easy On Me“. Mit diesem erstaunlich einfallsreichen Debut-Album bewerben sich The Head an the Heart zusammen mit The Vaccines und den Freelance Whales für den Titel „Newcomer des Jahres“.

„The Head an the Heart“ ist am 22.4.2011 April bei Heavenly/Cooperative Music/Universal erschienen.

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