Giant Sand und Steve Wynn live im Hamburger Uebel & Gefährlich

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von Gérard Otremba

Es war ja schon eine etwas unglückliche Terminierung, Steve Wynn im Knust und Giant Sand im uebel & gefährlich, circa 200 Meter Luftlinie voneinander entfernt gleichzeitig auftreten zu lassen. Nachdem die befreundeten Musiker Wynn und Howe Gelb, Kopf der Formation Giant Sand, diese auch für Fans unleidliche Terminkollision bemerkten, setzten sie alle Hebel in Bewegung und führten zusammen, was zusammen gehört. So gab es also am 16.11.2010 ein Double-Feature im uebel & gefährlich und die Anhänger mussten sich nicht zwischen beiden Bands entscheiden. Zwei Wermutstropfen jedoch blieben: Steve Wynn spielte nur eine Stunde und Giant Sand begann mit dem Gig erst kurz vor 23 Uhr. Den Opener des Abends gab Michael Weston King, ein 49-jähriger Engländer, der sich an der akustischen Gitarre begleitete und wunderprächtige Protestsongs von sich gab.

Steve Wynn & The Miracle 3 rocken wie einst Neil Young und Crazy Horse

Nach einer superkurzen Pause betrat Steve Wynn mit seiner Band The Miracle 3 die Bühne des uebel & gefährlich. Und wem die Tickets für Neil Young & Crazy Horse zu teuer sind, der besucht in Zukunft eben die Konzerte von Steve Wynn. Okay, es gibt keine Neil-Young-Songs zu hören, dafür aber 100 Prozent Steve Wynn. Und der amerikanische Sänger und Gitarrist scheint mit seinen 50 Jahren in einen Jungbrunnen gefallen zu sein. Jedenfalls hat er sich eine jugendliche Spiellaune bewahrt und ließ es mächtig krachen. Egal ob bei älteren Stücken, wie dem bedrohlich klingenden „Death Valley Rain“, oder „Ribbons And Chains“, einem seiner Songs aus dem aktuellen Album „Northern Aggression“, es geht immer vorwärts, keine Zeit für Besinnung. Als ob sie einen Nachwuchswettbewerb gewinnen wollten, dermaßen garagenrockartig polterten Steve Wynn und seine drei Mitstreiter in der einen, ihnen zur Verfügung stehenden Stunde los. Die feuerwerkartigen Gitarrenduelle zwischen Wynn und Jason Victor erinnerten nun wirklich an die besten Zeiten von Neil Young und seinem Crazy Horse-Gitarristen Frank Sampedro. Dazu der souverän stoische Bass von Dave DeCastro und der Trommelwirbel von Linda Pitmon und fertig ist ein hinreißend hingerotzter, roher Rock, an dem sich noch viele Jungspundbands ein Beispiel nehmen können.

Giant Sand mit Country-Noir-Songs

Einen gänzlich anderen Musikzugang entwickelt die Band Giant Sand. Deren Kopf, Howe Gelb, strahlt die Aura eines Jeff Bridges aus, in der Rolle des Bad Blake im Film „Crazy Heart“. Nicht der besoffene Bad Blake, sondern der grummelnde Blake auf der Bühne. Giant Sand existiert nun auch schon wieder 25 Jahre, aber deren Neo-Country-Americana-Folk-Rock genießt leider immer noch Nischenstatus. Und mag Gelb noch so ein Querkopf sein, exzellente Songs schreibt er allemal. Stimmlich irgendwo zwischen Leonard Cohen und Bonnie „Prince“ Billy anzusiedeln, trägt er diese Country-Noir-Songs in zumeist in ruhige Fahrwasser, Gitarrenexzesse sind rar gesät. Und wer Lambchop und Calexico sagt, der kommt an Giant Sand definitiv nicht vorbei. Große Bühnenmomente, wenn bloß dieser späte Konzertbeginn nicht gewesen wäre.

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