U2 live in Berlin – Konzertreview

 

Ein atemberaubendes U2-Konzert im Berliner Olympiastadion

Ein Meisterwerk der Popgeschichte ist 30 Jahre jung geworden und muss dementsprechend gefeiert werden. U2 würdigen ihr 1987 veröffentlichtes Album The Joshua Tree mit einer Welttournee, die das irische Quartett am gestrigen 12.07.2017 ins Berliner Olympiastadion führte. Binnen weniger Stunden war das einzige U2-Deutschlandkonzert ausverkauft und alle, die ein Ticket erstanden, erlebten Sänger Bono, Gitarrist The Edge, Bassist Adam Clayton und Schlagzeuger Larry Mullen trotz widriger Wetterbedingungen in herausragender Form.

Bereits zum Vorprogramm, das der ehemalige Oasis-Gitarrist- und Songwriter Noel Gallagher mit seinen High Flying Birds bestritt (und mit „Champagne Supernova“, „Wonderwall“ und „Don’t Look Back In Anger“ auch drei Oasis-Klassiker im Programm hatte), meinten es die Wettergötter nicht gut mit Berlin und bescherten den circa 70 000 Besuchern ein unangenehmes Nass von oben. Doch weder Gallagher noch anschließend U2 ließen sich davon abhalten, den Besuchern einen unvergesslichen Abend zu bescheren. Die „The Joshua Tree Tour 2017“ bringt den wohl spektakulärsten Konzertbeginn in der U2-Live-Historie mit sich.

Bevor die Dubliner ihren Meilenstein, der sie einst zu Superstars krönte, in ganzer Länge spielen, eröffnen sie das Konzert mit ihrem ewig jungen Klassiker „Sunday Bloody Sunday“ und schon steht das Stadion Kopf. Es folgt mit dem sehnsüchtigen „New Year’s Day“ der nächste alte All-Time-Favourite vom dritten Studioalbum War. Bono ist sofort präsent, hat das Publikum voll im Griff und es geht Schlag auf Schlag mit einem opulenten „Bad“ (samt David Bowies „Heroes“ mit deutschem Test) und einem hyperhymnischen „Pride (In The Name Of Love“). Ein kleines Best-Of also als Ouvertüre, vier Songs (und ein kleine „Singin‘ In The Rain“-Einlage von Bono), die von U2 in knapp 30 Minuten auf der kleineren, ins Publikum führenden Bühne genüsslich ausgebreitet werden.

Anschließend zelebriert das Quartett auf der großen Hauptbühne das Joshua Tree-Album, und mit „Where The Streets Have No Name“, „I Still Haven’t Found What I’m Looking For“ und „With Or Without You“ folgt ein Hit dem nächsten. Man muss sich diese Setlist auf der Zunge zergehen lassen. Die ersten sieben Songs des Gigs haben es alle auf die Sounds & Books-U2-Top-Ten-Liste geschafft. Ein geradezu inkommensurabler und nicht zu toppender Auftakt. Man muss gar kein U2-Hardcorefan sein, um in fiebrige Wallung und Euphorie zu geraten. „Streets“ bricht mit aller Wucht in überwältigendem Maße über die Fans herein, bei „Still Haven’t Found“ brennt in Bono immer noch das alte Feuer, „With Or Without You“ reitetauf einer Welle der gegnseitigen Liebesbekundung zwischen Bono und den Konzertgästen.

Die Menge rastet längst aus, auf den Sitzen hält es in der ersten Dreiviertelstunde des U2-Konzertes auch auf den Tribünenplätzen niemanden. Natürlich ist The Joshua Tree eins der feierlich-pathetischsten Alben aller Zeiten. Dementsprechend leidenschftlich gehen U2 zu Werke. Im Verlauf der weiteren Joshua Tree-Celebration ragen der verstörende Fanal von „Exit“ sowie das beklemmende „Mothers Of Disappeared“ heraus. Im Zugabenteil ist nach dem berührenden „Miss Sarajevo“ (am Ende des Songs werden für alle, die es vergessen haben sollten, die ersten drei Artikel des Grundgesetzes auf der Leinwand eingeblendet) nur noch Party im Regen von Berlin angesagt.

„Beautiful Day“, „Elevation“ und „Vertigo“ sind Rausch pur, bei „Mysterious Way“ gönnt sich Bono ein Tänzchen mit einer schönen Frau und „Ultra Violet“ (Light My Way)“ widmet er gleich dem ganzen weiblichen Geschlecht. Der Ruf nach „Peace and Justice“ muss von Bono bei einem U2-Auftritt einfach erfolgen, und das ist gut so. Am Ende ein triumphales „One“, das Bono mit ein paar Zeilen des Beatles-Songs „Rain“ ausklingen lässt. Es war wettertechnisch ein lausiger Tag in Berlin, musiktechnisch jedoch ein formvollendeter 130-minütiger Genuss.

(Beitragsbild: Danny North, U2 live in Toronto 2017))

Kommentar schreiben