Interview mit Carsten Friedrichs von Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen

 

Carsten Friedrichs und der Enthusiasmus des neuen Albums von Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen

Nach der Auflösung von Superpunk gründete Sänger und Gitarrist Carsten Friedrichs mit Bassist Tim Jürgens, Keyboarder Gunther Buskies, Saxophonist und Gitarrist Philip Morten Andernach sowie Schlagzeuger Zwanie Jonson (der in der Zwischenzeit ausstieg und von Heiko Franz ersetzt worden ist) im Jahre 2012 die Band Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen. Am Freitag erscheint mit „It’s OK To Love DLDGG“ bereits das vierte Album der Hamburger Beat-Pop-Soul-Formation. Zu diesem Anlass traf sich Sounds & Books-Redakteur Gérard Otremba (auch Fotos) mit Carsten Friedrichs, um mit ihm über die neue Platte, die Band und das Label Tapete Records zu sprechen.

 

 

Am 14.07.2017 erscheint mit „It’s Okay To Love DLDGG“ euer neues Album. Es ist das vierte in fünf Jahren, eine vergleichsweise hohe Dichte. Sprudelt es bei euch nur so von Ideen? Zieht es euch magisch ins Studio? Benötigt ihr das Aufnahme-Feeling oder möchtet ihr nur so schnell wie möglich wieder auf Tour?

Ein Teil von allem. Ich denke, es liegt an der Zusammenstellung der Leute, die alle sehr kreativ sind. Außerdem arbeite ich hier mit Gunther bei Tapete in einer Plattenfirma, da hat man sowieso viel mit Musik zu tun, hat viele neue Einflüsse und das ist der Kreativität schon extrem förderlich. Es ist auch keine so schwierige Naturwissenschaft, Popsongs zu machen. Aber das sind schon die Faktoren, eine gute Band, die Zusammenarbeit mit Gunther, viel Kontakt mit anderen Musikern, viel Input, viel Inspiration, deshalb ging das immer sehr schnell.

 

Carsten, Du hast bereits mit Superpunk viele heimliche Hits geschrieben, die meines Erachtens mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Das ging mit der Liga dann so weiter. Ist mit dem neuen Album die Zeit reif für die Charts?

Wir waren schon mit dem allerersten Superpunkalbum („A bisserl was geht immer“ aus dem Jahre 1999, d. Red.) reif für die Charts, aber die Charts waren nicht reif für uns. Ach, warum nicht? So bisschen was Gutes darin kann ja nicht schaden.

 

Ihre bezeichnet das Album als eine Art Konzeptalbum. Wie lautet denn das Bandkonzept für Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen?

Es passt zwar nicht so ganz, aber das Kevin Rowland-Zitat gefällt mir in diesem Zusammenhang ganz gut. „Wearing great clothes und playing soulful music“, war das, was er immer machen wollte. Das ist auch unser Konzept. Und natürlich gute, fetzige Popsongs machen, auf der Bühne stehen und Freibier.

Sounds & Books_Liga live Knust 2015

Die neue Platte klingt meines Erachtens am urigsten von allen DLDGG-Platten. Viel schepperndes Schlagzeug-, noch mehr Vintage-Bläser-Sound und viele Piano-Keyboardpassagen. Die Songs strahlen noch mehr Freude, Hymnik und Enthusiasmus aus. Würdest Du mir zustimmen?

Es freut mich, dass Du das so empfindest. Hymnisch würde ich die Songs jetzt nicht nennen, Enthusiasmus passt aber auf jeden Fall. Dass das Album etwas anders klingt als die bisherigen, geht auf Gunther zurück, der Keyboard spielt und zu vielen Songs die Musik gemacht und das Album produziert hat. Wir haben jetzt zwei Alben im Artikel 1-Studio von Zwanie Jonson auf St. Pauli aufgenommen, sehr kleines, tolles Studio, und jetzt wollten wir mal ein großes, analoges Studio mit altem Equipment und das war das Studio Nord in Bremen. Es war ein alter Herzenswunsch von uns und ich denke, das war eine gute Idee, das mal nach drei Alben so zu machen.

 

In einem Song, „Ballade von der Band“, singst Du von „Aufgabe“. Aufgeben kommt für euch jetzt aber nicht wirklich in Frage, oder?

Nachdem wir jetzt so ein tolles Album gemacht haben, wären wir ganz schön bescheuert, aufzugeben.

 

Wieviel Selbstironie steckt in Deinen Texten?

Die Frage mit der Selbstironie kommt oft, aber das muss der Hörer für sich selbst entscheiden. Ich weiß gar nicht, was Ironie ist. Uneigentliches Sprechen? Wir sind halt eigener Art.

 

Ein anderer Song ist die schöne David Bowie-Hommage „Eine Tragödie kommt selten allein“, in dem Du von einem nicht mehr passenden T-Shirt singst. Aber was ist tragischer, der Tod eines Popstars, oder die Tatsache, dass das T-Shirt jenes Künstlers nicht mehr passt?

Theoretisch ist der Tod eines Menschen schlimmer. Praktisch für sich selber ist es schlimmer, dass man so fett geworden ist, dass das T-Shirt nicht mehr passt. Da ist sozusagen das T-Shirt näher als die Hose.

Sounds & Books_Liga live 2015 Knust

Ein weiteres Lied auf dem Album heißt „Song für Eis-Gerd“, dort singst über einen Eisladen in Altona, den es nicht mehr gibt. Was war das Besondere an diesem Eisladen und was ist Deine bevorzugte Eissorte?

Meine Lieblingseissorte ist Vanille. Das Besondere an „Eis-Gerd“ war die Mischung aus Eisdiele und Kneipe. Wir haben uns dort in den 90ern immer sehr gerne getroffen. Zum Labern, Trinken, vor und nach Fußballspielen. Und der Name ist schon so genial. Der Typ heißt Gerd, verkauft Eis und nennt den Laden „Eis-Gerd“. Ein sehr charismatischer Mensch, der jetzt in Rente gegangen ist. Ich versuche immer Songs zu machen über Sachen, die ich kenne, die mich interessieren und worüber es noch keine Songs gibt. Und es gibt erstaunlich wenige Songs über Kneipen. So ist dann „Song für Eis-Gerd“ entstanden.

 

In „So primitiv“ singst Du die Zeilen „Dieses Land und diese Scholle / nervt doch sehr, ist nicht so dolle“. Kannst Du die nervenden Zustände Deutschlands präzisieren? Was darf sich zum Positiven ändern?

Ein bisschen westlich-zivilisierter darf es sein. Deutschland ist eines der letzten westeuropäischen Länder, das die Ehe für alle eingeführt hat, um ein aktuelles Beispiel zu geben. Aber das es so ein Kampf ist und dass so ein Aufstand gemacht wird wegen etwas so Profanem. Oder Döner essen in der S-Bahn, das nervt auch. Ich weiß nicht, ob die Leute in Italien Döner in der S-Bahn essen, aber ich glaube nicht. Insgesamt wünsche ich mir einfach mehr Zivilisation.

 

Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen gibt es jetzt fünf Jahre. Wie sieht Dein Zwischenfazit aus?

Als wir anfingen, wusste ich, das wird gut. Aber dass es so gut wird, hätte ich nicht gedacht.

 

Und im Vergleich zu Superpunk?

Das ist schwierig, da bin ich zu sehr involviert. Die Band hat sich nicht ohne Grund aufgelöst, da war die Luft halt raus. Da verbinde ich nicht nur Positives, mit der Liga verbinde ich bis auf unseren anhaltenden Misserfolg nur Positives.

 

Das eine ultimative Superpunk-Reunion-Konzert im Pauli- oder HSV-Stadion ist also nicht angedacht?

Ich glaube nicht. Das wäre dann auch eher ein trauriges und leeres Stadion.

Sounds & Books_Liga live Knust 2015

Das Liga-Label Tapete Records ist dieses Jahr 15 Jahre jung geworden. Was hat sich seit Deiner Zeit dort (Carsten Friedrichs arbeitet seit 2007 bei Tapete, d. Red.) verändert?

Es ist erfreulicherweise viel internationaler geworden. Wir haben erheblich mehr Künstler aus England und den USA. Auch die Qualität der Demos, die wir erhalten ist, wie ich finde, viel besser geworden. Es hat sich wohl rumgesprochen, dass Tapete ein gutes Label mit guten Künstlern ist und mit dem andere zu tun haben wollen. Das freut einen natürlich.

 

Was ist das Besondere für euch an Tapete Records? Warum sollen ganz viele Künstler bei euch erscheinen?

Weil wir ein cooles Label sind. Es ist wie ein Clubhaus. Nicht jeder will rein, nicht jeder kann rein, aber wenn einer erst mal drin ist, will er nicht mehr weg. Viele kreative und coole Leute mit guten Ideen arbeiten bei Tapete und es wird der Karriere sicherlich nicht schaden, bei uns eine Platte rauszubringen.

 

Am 10.11. feiert ihr im Hamburger Knust das 15-jährige Bestehen von Tapete Records. Die Liga wird auftreten, auch Fehlfarben, Andreas Dorau und andere mehr. Was erwartet die Gäste an diesem Abend?

Extrem gute und viel Musik für einen guten Preis. Es soll keine reine Rückschau sein. Wir haben versucht, ein Programm zusammenszustellen mit Bands, die schon länger mit uns verbunden sind und neuen Künstlern bei Tapete.

 

Wo siehst Du Tapete Records in fünf Jahren?

Oha. Wenn das so weiter geht, so viel Spaß macht und sich immer bisschen nach oben entwickelt, dann, glaube ich, wären wir alle relativ glücklich. Und noch so viele netten Leuten und Musikern begegnen.

 

Und wo die Liga?

Keine Ahnung. Vielleicht fällt uns in den nächsten drei Jahren nichts ein. Glaube ich aber nicht. Ich denke, spätestens in drei Jahren erscheint das nächste Kracher-Album.

 

Eine Fußballfrage, Carsten, ist abschließend hoffentlich erlaubt. Wir waren die letzten Jahre als HSV-Fan?

Super. Sehr aufregend. Ich bin ein sehr sonniges Gemüt und ich sage immer, langweilig ist es mit dem HSV nie. Und bei der vorletzten Relegation gegen Fürth hatte ich dann doch fast einen Schwächeanfall.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

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