Karine Tuil: Die Zeit der Ruhelosen – Roman

 

Ein hochaktueller, brisanter und flüssig zu lesender Roman

Frankreich hat gewählt. Der 39-jährige Emmanuel Macron führt nun die Grand Nation als Staatspräsident an. Ob er Deutschlands Nachbarland einen und in ruhigere Zeiten führen kann, werden die künftigen Monate zeigen. Wie es um die gesellschaftlichen Machtverhältnisse in Frankreich steht, hat die in Paris lebende Autorin Karine Tuil in ihrem aktuellen und bemerkenswerten Roman Die Zeit der Ruhelosen auf den Punkt gebracht. Vier Personen stehen im Mittelpunkt von Tuils neuem Roman: Der traumatisierte Afghanistan-Kriegsheimkehrer Romain Roller, der ehrgeizige Präsidentenberater Osman Diboula, der steinreiche Chef eines Mobilfunkunternehmens François Vély sowie dessen wesentlich jüngere Frau, die Journalistin und Buchautorin Marion Decker.

Roller und Diboula kennen sich von früher, sie sind beide in der Pariser Banlieue Clichy-sous-Bois aufgewachsen. Der schwarzhäutige Diboula machte sich als Streetworker einen Namen, bevor er in den Beraterstab des Präsidenten aufstieg. Roller zog es nach Afghanistan, wo seine Truppe in einen Hinterhalt geriet und er den Tod einiger Kollegen und eine Schwerstverletzung eines guten Freundes miterleben musste. Depressiv und von Schuldgefühlen geplagt, findet er Halt in der Liebesaffäre mit Decker, die für ihre Arbeit als Autorin vor Ort weilte, während Diboulas Karriere durch die Provokationen eines rechten Kollegen im Beraterstab zunächst abrupt endet. Ein politisches Comeback gelingt Diboula ausgerechnet als er sich auf die Seite des aufgrund eines unbedachten Fotos mit massiven Rassismus-Vorwürfen konfrontierten Vély stellt. Schließlich treffen sich die Protagonisten auf einem Wirtschaftsgipfel im Irak, der mit einem Showdown das Leben aller Beteiligten auf massive Weise verändert.

Für Karine Tuil ist in Die Zeit der Ruhelosigkeit das Private immer auch das Politische und umgekehrt. Die Karriere-Auf-und-Abs der einzelnen Personen wirken unmittelbar auf das jeweilige private Umfeld, das bei jedem Ab im Chaos zu versinken droht. Karine Tuil hetzt zwar so ruhelos wie ihre Figuren durch den Roman, doch zeichnet sie dabei stimmige und fesselnde Charaktere. Temporeich, und mit vielen atemberaubenden Cliffhangern, entwirft sie ein faszinierendes Gesellschaftsportrait in Zeiten von Ego-Trips, ungehemmtem Kapitalismus und blindem Rassismus. Auch nach der Wahl in Frankreich ein hochaktueller, brisanter und flüssig zu lesender Roman.

Karine Tuil: „Die Zeit der Ruhelosen“, Ullstein Verlag, aus dem Französischen von Maja Ueberle-Pfaff, Hardcover, 512 Seiten, 978-3-550-08175-0, 24 €.  

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