Ryan Adams: Prisoner – Album Review

Keine Ryan Adams-Glanztat, aber einige gute neue Songs

Ryan Adams gehört zu den wenigen Genies, die der Rock-Pop in den letzten 20 Jahren hervorgebracht hat. Seine Alben mit Whiskeytown in der zweiten Hälfte der 90er Jahre waren ein Genuss, seine Soloplatten Heartbreaker, Gold, Love Is Hell Vol. 1+2 sowie Cold Roses die überragenden Werke seiner an sehr guten Platten nicht gerade armen Karriere. Aber auch Genies rufen nicht ständig ihr Potential ab, erst recht nicht, wenn man wie Ryan Adams auf ein so riesiges Oeuvre (mehr als 20 Alben seit 1995) blicken kann. Sein neues Album bleibt leider etwas hinter den Erwartungen zurück, zumal es sich bei Prisoner um ein Trennungsalbum handelt. Und wer wäre prädestinierter als eben der 42-jährige Adams, Trennungsschmerzen in formvollendete Kompositionen zu verwandeln? Sollte man meinen.

Doch der Sänger aus Jacksonville, North Carolina, der sich bereits durch unzählige Songs barmte und so vielen deprimierten Menschen Trost gab, bleibt auf Prisoner in Gesang und Produktion seltsam reserviert. Die Gitarren verhallen viel zu häufig und Adams‘ Stimme, die sonst von Nähe und Intimität nur so strotzt, zeigt sich distanziert und teils gar entrückt. Nein, die Intensität, die von Bob Dylans Blood On The Tracks und Bruce Springsteens Tunnel Of Love, um zwei herausragende Trennungsalben zu nennen, ausgeht, erreicht Ryan Adams mit Prisoner nicht. Nun ist Prisoner kein schlechtes Album, Adams hat immer noch einige Songs in petto, für die andere Songwriter mehr als dankbar wären. Wie zum Beispiel für „Outbound Train“, in dem Adams dem hemdsärmeligen Rock’n’Roll Glanz verleiht oder das direkt folgende „Broken Away“. Hier gelingt es Adams, die Einsamkeit nach einer Trennung im verträumt-sehnsüchtigen Rock einzufangen.

Das reduzierte, aber mit wehmütigem Saxophon aufwartende „Tightrope“ funktioniert ebenfalls sehr gut, der Opener „Do You Still Love Me?“ donnert ordentlich im Springsteen-Petty-Stil (wobei Adams auf Gold wesentlich dichter an Springsteen dran war) und gehört genauso wie das legere „Prisoner“ und das explosive „Doomsday“ zu den positiven Momenten des Albums. In „Anything I Say To You Now“ beschwört Adams indes den 80er-Rock-Pop eine Spur zu heftig und aus dem ruhigen Folkstück „To Be Without You“ hätte er vor einigen Jahren definitiv mehr Tiefe herausgekitzelt. „Shiver And Shake“ berührt dann zwar irgendwie doch, aber „Haunted House“, „Breakdown“ und „We Disappear“ dümpeln mehr schlecht als recht vor sich hin. So bleibt am Ende ein gespaltenes Empfinden zurück. Prisoner steigert sich nach mehrmaligen Hören, zu den Ryan Adams-Großtaten zählt der Longplayer jedoch nicht.

„Prisoner“ von Ryan Adams ist am 17.02.2017 bei Pax-Am Records / Blue Note / Universal erschienen. 

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