Interview mit dem Schriftsteller André Kubiczek

André Kubiczek von Gérard Otremba

André Kubiczek über den Deutschen Buchpreis, die Musik und die Jugend in den 80er Jahren

Aufzeichnung und Fotos von Gérard Otremba

Mit seinem neuen und in diesem Magazin rezensierten Roman Skizze eins Sommers stand André Kubiczek auf der Long- und Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2016. In Berlin traf sich Sounds & Books mit dem 1969 in Potsdam geborenen Schriftsteller zu einem Gespräch über den Deutschen Buchpreis, seinen aktuellen Roman und die für diesen so wichtige Indie-Pop-Musik.

 

André, 2002 erschien mit Junge Talente Dein Debütroman. Mit dem siebten Werk Skizze eines Sommers hast Du es erstmals auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis geschafft. Hat es Dich überrascht? Und was dachtest Du bei der Bekanntgabe der Longlist?

Überrascht hat es mich nicht. Irgendwann kam mein Verlag (Rowohlt Berlin, die Red.) auf mich zu und präsentierte mir die erste positive Rezension von jemanden, der in der Jury saß. Das Spiel ging dann noch zweimal weiter. Ich hatte also drei super Rezensionen von Jury-Mitgliedern, für das Hamburger Abendblatt, den Tagesspiegel und die Berliner Zeitung, bzw. die Frankfurter Rundschau. Da habe ich schon daran geglaubt, dass es diesmal klappen könnte. Ich hatte die Sache dann vergessen, aber an dem Tag der Longlist-Verkündigung rief mich meine Lektorin aus dem Urlaub an, just als ich im Supermarkt an der Kasse stand. Ich bin da nicht ran gegangen, wusste da aber natürlich, dass ich auf der Longlist stehe. Das hat meinen Verlag und mich natürlich wahnsinnig gefreut.

 

Vier Wochen später fand sich Skizze eines Sommers dann auch auf der Shortlist wieder. Beginnen spätestens dann die Gedanken an einen möglichen Gewinn des Buchpreises zu kreisen?

Nein gar nicht. Ich hatte mit der Shortlist nicht gerechnet und mir war auch irgendwie klar, dass mein Roman nicht gewinnen würde. Dadurch, dass Skizze eines Sommers eine scheinbar einfache Sprache hat, ist dem Roman immer mal wieder unterstellt worden, er sei zu banal und zu leicht.

 

Was meines Erachtens aber nicht stimmt. Es fällt mir leider allgemein auf, egal ob in Blogs oder im Kulturteil der Tageszeitungen, dass Adoleszenzromane häufig als weitere Jugenderinnerung, die keiner benötigt, abgetan werden, was der Sache aber nicht gerecht wird.

Das wird dann der Literatur insgesamt nicht gerecht, denn es geht bei der Literatur zunächst nicht um Themen, sondern um die Form. Und natürlich stimmt der Vorwurf nicht, weil die Sprache durchgearbeitet und durchkomponiert ist. Ein großes Dilemma, dass in Deutschland immer der Inhalt und nicht die Sprache rezensiert wird.

 

Der Sieger hieß dann Bodo Kirchhoff mit Widerfahrnis. War die Enttäuschung bei Dir groß?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe bei mir, und ich denke, das war auch bei Eva Schmidt und bei Reinhard Kaiser-Mühlecker so, eher eine Erleichterung verspürt, dass es jetzt endlich vorbei ist. Es gab vorab den Fahrplan vom Verlag, was man alles tun muss, im Falle des Sieges. Das wäre eine terminreiche Woche geworden.

 

Die Longlist des Deutschen Buchpreises ist wieder von den sogenannten „Buchpreisbloggern“ kritisch begleitet worden. Hast Du das als Autor überhaupt mitbekommen und falls ja, hast Du die Beiträge verfolgt?

Eine Freundin, die in der Pressearbeit für ein paar ambitionierte Kleinverlage tätig ist, hat mich auf die Buchblogger aufmerksam gemacht und mir Links zu den Besprechungen geschickt, so dass ich die ganze Sache doch ganz gut verfolgt habe. Auch kleinere Beiträge auf Facebook.

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In Skizze eines Sommers beschreibst Du das Ferienleben eines 16-jährigen in Potsdam des Jahres 1985. Auch Du warst damals 16 Jahre alt. Überfällt Dich ein wehmütiges, nostalgisches Gefühl, wenn Du an diese Zeit zurückdenkst, oder wie siehst Du Deine Jugend in der DDR heute?

Dieses Gefühl hat mich überfallen, deshalb habe ich das Buch geschrieben, jetzt ist es aber total weg. Das Gefühl ist sozusagen zwischen die Buchdeckel gebannt und damit auch erledigt und das Geheimnisvolle ist für mich dann vorbei. Dem Leser geht es vielleicht anders…

Definitiv.

…super, dann hat es ja geklappt. Es gab auch positives Feedback von Leuten aus Potsdam, aber auch aus Westdeutschland und von älteren Jahrgängen.

 

Man weiß zwar, dass der Roman in der DDR spielt, aber er hätte im Prinzip ja auch in einer westdeutschen Stadt spielen können.

Eben. Es geht halt nicht um die DDR, sondern um die Jugend. Nur werde ich mir jetzt keine Westjugend imaginieren, wenn die reale Ebene so gut ist. Es ist ja trotzdem kein Journalismus und kein Sachbuch.

 

Gab es noch einen anderen Auslöser, außer des nostalgischen Gefühls, der Dich gereizt hat, den Roman zu konzipieren?

Es war einfach eine großartige Zeit, selbst in der DDR. Für die 16-Jährigen war das damals in der DDR ein harter Schnitt. Mit der 10. Klasse endete die Schule, manche haben noch zwei Jahre Abi gemacht, die meisten begannen eine Lehre. Es fing auf jeden Fall was Neues an, aber du wusstest noch nicht was. Alle Möglichkeiten im Grunde noch offen, trotz der DDR.

 

Ein wichtiger Aspekt Deines Romans Skizze eins Sommers ist die Popmusik. Die kann ja bekanntlich Leben retten. Gibt es einen Song, ein Platte, oder eine Band, die Dein Leben gerettet hat?

Wenn eine Band, dann The Smiths. Hat mir vielleicht nicht das Leben gerettet, aber die Musik spiegelte dann doch sehr gut das Lebensgefühl wider, obwohl Morrissey ja aus England ist. Tolle Texte, super Attitüde, gerade für Jugendliche. Schon vom ersten Song an, den ich von The Smiths hörte, „What Difference Does It Make?“, war klar, The Smiths sind es.

 

Gibt es fünf Lieblingsalben, auf die Du keinesfalls verzichten möchtest?

(lacht herzhaft) Nun ja, The Smiths, auf jeden Fall. Nur welche? Wohl die selbstbetitelte erste.

The Cure „Pornography“.

The Jesus And The Mary Chain: „Psychocandy“

The Velvet Underground & Nico (die mit der Warhol-Banane)

Billy Bragg: „Talking With The Taxman About Poetry“ 

Das war cool, als Billy Bragg 1986 in Potsdam im Hans-Otto-Theater gespielt hat. Zusammen mit Attila The Stockbroker und den Newtown Neurotics, eine ziemlich gute Arbeiterklasse-Punkband aus England.  Da haben die Leute in den Gängen zu den Sitzreihen dann Pogo getanzt.

Und Prefab Sprout: „Steve McQueen“

Es gibt einfach zu viele, die ich aufzählen könnte…

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Zwar nicht in den Top-5, aber es gibt so viele Bands, die man aufzählen könnte…

 

Gibt es auch fünf Bücher, die Du nennen könntest?

 „Gegen den Strich“ von Joris-Karl Huysmans

„Petersburg“ von Andrej Belyi

„Der Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil

„Amerika“ von Franz Kafka

„L.A Confidential“ von James Ellroy

Es gibt ja Bücher, die sind gut, und es gibt Bücher, die einen aus den Latschen hauen. Je länger man liest, desto weniger hauen sie dich um. Aber das waren Bücher, die mich zu der jeweiligen Zeit, bei denen ich dachte, wow, etwas total Neues. Aber auch so was wie „Huckleberry Finn“, das ist ja im Grunde der Ursprung des ganzen Adoleszenz-Sounds.

 

Wodurch wirst Du beim Schreiben inspiriert?

Eigentlich durch nichts. Also durch Musik auf jeden Fall. Nicht beim Schreiben direkt, aber wenn man so eine Plattensammlung hat, dann ist das wie eine Zeitmaschine. Für Skizze eines Sommers habe ich mir einen Bildband aus dem Jahre 1986 gekauft- Der hat sehr atmosphärische Fotos, aber ansonsten kommt alles aus der Erinnerung. So eine richtige Inspiration benötige ich gar nicht. Der Wille zum Schreiben macht es und wenn es gut vorangeht, dann ist das Belohnung genug.

 

Was hält Dich am Schreiben und wie sieht Dein Arbeitsalltag aus? Schreibst Du kontinuierlich jeden Tag mit fester Tagesstruktur?

Wenn ich erst mal im Text drin bin, ja. Das Schwierigste sind die ersten 50 Seiten, wenn man sich noch unsicher ist, ob man den Ton trifft, ob der Sound stimmt und so. Wenn das geschafft ist und die Figuren so eine Art Eigenleben aufgrund der inneren Logik ihres Charakters entwickeln, dann geht es einfacher und dann setzt die Phase ein, in der ich versuche, jeden Tag so drei Seiten zu schreiben. Bei Skizze eines Sommers lief es erstaunlich gut. Zum Teil sechs oder zehn Seiten am Tag, dann in der Schlussphase.

 

Wenn es erst mal läuft…

Ja, ja. Wenn das Ende in Sicht ist.

 

Wie war es bei diesem Buch, war Dir das Ende vorher schon klar?

Mir war der Anfang klar, der erste Ferientag, und das Ende, dass es vor dem Wehrlager endet. Ich wusste jetzt nicht genau, was er zu Schluss sagt, aber dass er dort stehen wird.   

 

Ist der Beruf des Schriftstellers, der den Du schon immer ausüben wolltest, oder wann kam der Gedanke auf?

Eigentlich wollte ich das schon mit 16 machen. Wie die im Buch, die wollen auch alle Künstler werden. Man gerät dann da so rein und wenn man nicht rechtzeitig die Notbremse zieht, ist man da drin und dann muss das durchhalten. Zum Abspringen ist es jetzt zu spät.

 

Stehen bereits Pläne für die nahe Zukunft fest?

Ich werde zunächst einen Gegenwartsroman schreiben und dann wird es auch eine Fortsetzung von „Skizze eines Sommers“ geben.

 

Vielen Dank für das Gespräch!  

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