Rasha Khayat: Weil wir längst woanders sind – Roman

Ein feinfühliger und dezenter Roman über Heimat- und Identitätsfindung

von Gérard Otremba

Das Thema Heimat gehört zu den wichtigsten der Literaturgeschichte. Diesem nimmt sich auch Rasha Khayat in ihrem Debütroman Weil wir längst woanders sind an. Ich-Erzähler Basil hat eine Einladung zur Hochzeit seiner Schwester Layla nach Saudi-Arabien erhalten. Gemeinsam sind die beiden mit ihrem arabischen Vater und ihrer deutschen Mutter dort aufgewachsen, bevor sie im Grundschulalter nach Deutschland zogen. Von klein auf verband die beiden ein inniges Verhältnis, doch eines Tages brach Layla ihre Buchhändlerausbildung kurz vor der Prüfung ab und verließ, einerseits aus enttäuschter Liebe, andererseits aus einem inneren Freiheitsgefühl heraus auf der Suche nach der eigenen Identität, mit dem Erbe des verstorbenen Vaters die gemeinsame WG in Hamburg und reiste nach Kairo.

Ohne Vorwarnung hat sich Basils Schwester aus dem Staub gemacht und will jetzt ausgerechnet in Saudi-Arabien („ein Land, gegen dessen politische Zustände ich alle paar Wochen Onlinepetitionen unterzeichne“) einen Ingenieur heiraten, den sie nach altem Brauch kaum kennt. Ihre Mutter verzichtet empört auf den Hochzeitsbesuch und auch Basils Verständnis für Laylas Entscheidung, ein „neues“ Leben in der alten Heimat ihres gemeinsamen Vaters zu beginnen, hält sich in bescheidenen Grenzen. Den Weg in die arabische Stadt Jeddah, wo er vor über 20 Jahren aufwuchs, tritt er mit gemischten Gefühlen an. Nur bruchstückhaft ist ihm die arabische Sprache noch geläufig, begrüßt wird er von der Familie seines Vaters jedoch wie ein lang vermisster und verlorener Sohn voller Herzlichkeit und Liebe. Die Kommunikation funktioniert auf Englisch und mit Übersetzungshilfen des Cousins. Basil entdeckt in der Kürze der Zeit ein Land, in dem Smartphones, Selfies und arabische Popmusik in Britney Spears-Format zum Tagesgeschehen gehören, wo aber auch die sittenstrenge „Religionspolizei“ als Mahner in der Wüste auftritt. Die Hochzeit wird geschlechtergetrennt gefeiert und obwohl Basil Laylas Entscheidung fremd bleibt, wohl wissend, sie an ein für ihn weit entferntes, anderes Leben zu verlieren, kehrt er doch besänftigt nach Hamburg zurück.

Die eben dort lebende Übersetzerin und Autorin Rasha Khayat, die seit 2010 mit ihrem Blog West-Östliche-Diva „das deutsche Fenster zu Arabistan“ öffnet, hat mit Weil wir längst woanders sind einen feinfühligen und dezenten Roman geschrieben. Ein Hauch von Wehmut und ein stückweit Familiär-Tröstendes wohnen dem Roman inne. Die 1978 in Dortmund geborene und in Saudi-Arabien aufgewachsene Khayat verzichtet auf den moralischen Zeigefinger und bedient keine Klischees. Dass der Wunsch nach Zugehörigkeit  dann manchmal für andere eine kaum akzeptable Option im Leben darstellt, liegt in der Natur der Sache. Ein Roman, mit dem man Brücken bauen kann.

Rasha Khayat: „Weil wir längst woanders sind“, Dumont, Hardcover, 192 Seiten, 978-3-8321-9814-5, 19,99 €.  

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