Garry Disher: Bitter Wash Road – Kriminalroman

Ein existentialistischer, australischer Kriminalroman

von Gérard Otremba

Der australische Schriftsteller Garry Disher ist ein Meister des sachlichen Kriminalromans. Die Beschreibung von Land und Leute wichtiger, als atemlose Thriller-Momente, wie wir sie zum Beispiel von seinem grandiosen schwedischen Kollegen Arne Dahl kennen. Seiner städtisch geprägten Krimi-Reihe um Detective Inspector Hal Challis setzt Disher nun eine ländliche Antipode entgegen. In das kleine Kaff Tiverton, „drei Stunden nördlich von Adelaide“, am Rande der Gesellschaft, wird  Constable Paul Hirschhausen in Bitter Wash Road versetzt, auf den Posten eines Ein-Mann-Reviers, wohin die Polizisten hingeschickt werden, „die Dreck am Stecken hatten“.

Paul Hirschhausen hat sich insofern bei seinen Kollegen unbeliebt gemacht, als dass er gegen die korrupt-dubiosen Machenschaften seiner ehemaligen Mitarbeiter in Adelaide aussagen möchte. Und viele denken, er habe bei den zwielichtigen Deals seine Hand aufgehalten. Offene Feindseligkeit schlägt Hirschhausen von Seiten der wenigen Arbeitskollegen, die in seinem neuen Umkreis zu finden sind, denn für sie ist er ein Verräter, der seine Kumpels anschwärzt. Mit diesem Vorgehen wird man in der Polizeiwelt schnell zum Außenseiter. Eine Position, die für Paul Hirschhausen (Freunde dürfen ihn „Hirsch“ nennen, aber ohne Freunde auch kein Spitzname) in seinem neuen Wirkungsfeld kein Nachteil ist, steht die Bevölkerung den einheimischen Polizisten sehr skeptisch gegenüber. Die Gründe für diese ablehnende Haltung lernt Paul Hirschhausen während seiner Ermittlung im Todesfall einer 16-Jährigen kennen, die von einem Fahrzeug überfahren wurde.

Alle halten die Tat für einen Unfall mit Fahrerflucht, doch Hirschhausen lässt nicht locker und gerät in einen skandalösen Sumpf aus Korruption, Rassismus und Sexismus, in dem  Polizisten, Anwälte und eine ortsansässige Familie involviert ist. Auch ein angeblicher Selbstmord erscheint Hirschhausen unter durchaus dubiosen Umständen ausgeführt worden zu sein. Ohne zu wissen, wem er vertrauen kann, ist er in seiner Aufklärungsarbeit auf sich allein gestellt und erhält am Schluss überraschende Hilfe. Garry Disher besticht in Bitter Wash Road  durch seine grandios skizzierten Personen- und Charakterstudien. Glaubwürdige Figuren, allen voran Paul Hirschhausen, der Kämpfer für Gerechtigkeit mit dem Herz auf dem richtigen Fleck, bevölkern diesen Roman, und die Einsamkeit des Individuums an einem neuen, überschaubaren Ort, ist jederzeit fühlbar. Ein in seinem nüchternen Sprachstil geradezu existentialistischer Kriminalroman und jede Seite seines Buches wert.

Garry Disher: „Bitter Wash Road“, aus dem Englischen von Peter Torberg, Unionsverlag, Hardcover, 352 Seiten, 978-3-293-00500-6, 21,95 €.

Kommentare

  • <cite class="fn">Constanze</cite>

    vielen Dank für diesen tollen Tipp. Der Titel wandert sogleich auf meine Wunschliste. Ich lese sehr gern Krimis und bin immer wieder sehr dankbar für Lesehinweise der besonderen Art. Viele Grüße

    • <cite class="fn">Gérard Otremba</cite>

      Ich habe früher als Buchhändler sehr viele Krimis gelesen, jetzt nur noch ausgewählte, oder aber begonnene Reihen (aber auch nicht mehr alle). Garry Disher lohnt auf jeden Fall. Viele Grüße, Gérard

  • <cite class="fn">gerhard</cite>

    Disher verfolge ich schon eine ganze Weile. Sowohl die Wyatt- wie die Challis-Reihe ist extrem lesenswert.
    Viele Grüße,
    Gerhard

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