Thomas von Steinaecker: Die Verteidigung des Paradieses – Roman

Ein opulenter, dystopischer Abenteuerroman

von Gérard Otremba

Thomas von Steinaecker spielt das Trumpf-As aus. Die Wucht seines neuen Romans Die Verteidigung des Paradieses erschlägt und erschöpft den Leser, ein in diesem Fall jedoch absolut lohnenswerter Zustand, vermag diese episch angelegte Dsytopie jederzeit in ihren Bann zu ziehen. Der 39-jährige Schriftsteller, Regisseur und Journalist legt alles in dieses opulente Werk, spielt mit zahlreichen cineastischen Verweisen, jedenfalls fallen einem Filme wie „Planet der Affen“, „Flucht ins 23. Jahrhundert“ oder „Mad Max“ zwangsläufig beim Lesen ein, und spiegelt dringende aktuelle Probleme aus der Zukunftsperspektive wider.

Deutschland ist verwüstet. Auf der Rosenalm im Berchtesgadener Land wird der 15-jährige Heinz zum Chronisten der Zeit nach dem „Untergang“. Seit elf Jahren leben Heinz, der „weltbeste Leader“ Cornelius, Jorden, Chang, Özlem und Anne unter „traumhaften Bedingungen“ im Alm-Resort, nachdem ein Kraftfeld von ehemals vier Jahreszeiten nur noch eine zulässt und für ein angenehmes Sommerklima sorgt. In einer mit Anglizismen jonglierenden Jugendsprache zwischen Naivität und Weisheit sammelt Heinz sogenannte Altwörter (Apartheid, Boheme, Würde etc.), befragt die älteren Überlebenden nach der Zeit vor dem Untergang und erlebt diffuse Erinnerungen an früher in seinen Träumen.

Nachdem Özlem ein Kind von Chang zu Welt bringt, ändert sich durch das Versagen des Schutzschirms die Atmosphäre im Bio-Resort dramatisch. Wasserknappheit und Seuchen zwingen die kleine Gemeinschaft, das Paradies zu verlassen und einen beschwerlichen Gang durch die verstrahlte „Große Ebene“ anzutreten, wo andere „Survivors“, Banden und Mutanten hausen. Ein Kampf ums Überleben beginnt, mit dem Ziel, ein angebliches Lager zu erreichen, um von dort aus Deutschland, oder was davon übrig blieb, in andere Länder transportiert zu werden. Ein Kampf, den nicht alle gewinnen können und wie schwer es ist, ein „guter Mensch“ zu werden, erfährt Heinz, der sich als Bewahrer von zivilisatorischen und menschlichen Werten in der Zeit der Ödnis, der Grausamkeit und des Schreckens, sieht, mehrfach eindrucksvoll.

Immerhin bewahrheitet sich nicht die schlimmste Befürchtung eines globalen Exitus, Leben außerhalb Deutschlands ist möglich, und um nach Paris zu gelangen, müssen sich Heinz und die Überlebenden seiner Gruppe Schleusern anvertrauen. Thomas von Steinaeckers Die Verteidigung des Paradieses ist ein famoser Science-Fiction-Abenteuerroman, der die dringlichen Themen Klimakatastrophe, Flucht und Vertreibung behandelt und die essentiellen Fragen nach würdigem Leben, nach humanistischen Werten in einer von Robotern, Drohnen und Klonen bevölkerten Welt, sowie nach der Rolle der Kunst und Natur im digitalisierten Zeitalter stellt. Kein Zweifel, Thomas von Steinaeckers As sticht.

Thomas von Steinaecker: „Die Verteidigung des Paradieses“, S. Fischer, Hardcover, 416 Seiten, 978-3-10-001460-3, 24,9 €.

Kommentare

  • <cite class="fn">Constanze Matthes</cite>

    Ein Buch, das ich auf meine Wunschliste gesetzt habe, nachdem ich vor einigen Tagen darüber gelesen habe. Dein aussagekräftiger Bericht bestärkt mich, das Buch unbedingt und recht bald zu lesen. Dystopien und Zukunftsvisionen scheinen in der deutschen Gegenwartsliteratur scheinbar Trend zu werden. Ein Thema, das ich allerdings auch sehr gern lese. Viele Grüße

Kommentar schreiben