About My Shelf – 20 Interviews über Platten- & Bücherregale

Über die Buchregale von Musikern und die Plattenregale von Autoren

Von Gérard Otremba

Diese Situation ist bekannt. Man ist irgendwo eingeladen und der erste Weg in der unter Umständen fremden Wohnung führt geradewegs zum Bücher-, respektive Platten/CD-Regal. Für Kulturbeflissene ein völlig normaler und selbstverständlicher Vorgang, bei Nerds ein absolut zwanghaftes Verhalten und eigentlich für alle ein absolutes Muss, lernt man den Gastgeber doch über dessen Buch- und Musikauswahl ein gutes Stück weit kennen und hat sofort Bezugspunkte und Gesprächsthemen. Und befriedigt seine unbändige Neugier.

Neugierig ist auch Maggie Gernatowski, die als Herausgeberin des Buches About My Shelf – 20 Interviews über Platten- & Bücherregale Künstlern Fragen zu ihren Bücher- und Musikaufbewahrungsorten gestellt hat. Wobei zehn Musiker Auskunft über ihre Affinität zu Büchern geben, umgekehrt zehn Autoren über ihre Plattensammlung berichten. Das Resultat ist ein mehr als interessantes und vergnügliches „Nachschlagewerk“. Maggie Gernatowski fragt nach Lieblingslese- und Hörorten, nach Lieblingsbüchern aus der Jugendzeit, nach dem bisherigen Soundtrack des Lebens, nach ersten Hör- und Leseerlebnissen, nach den schönsten Covern, nach Lieblingsläden, nach dem ganz besonderen Tipp und dem gegenseitigen Einfluss von Musik und Literatur.

Frank-Spilker-Kopie shelf

So erfahren wir von Sterne-Sänger Frank Spilker, dass er nicht der Protagonist aus einem neuen Houellebecq-Roman sein möchte, sondern viel lieber Kapitän Nemo. Die Schriftstellerin Karen Köhler gibt von sich Preis, Musik nur „ganz schwer nebenbei hören“ zu können. „Ich versuche es immer wieder, meistens kann ich mich nicht auf das konzentrieren, was ich eigentlich machen möchte, weil ich zu sehr zuhöre. Es ist für mich zum Beispiel ein Grund, aus einem Geschäft rauszugehen, weil ich dort mit schlimmer Musik zugeballert werde. Diese ganze Teeniemelkereimusik, die kann ich ganz schwer ertragen.“ Für den Autor Roman Ehrlich war der größte Fehlkauf „wahrscheinlich irgendwas von den Red Hot Chili Peppers“ (was doch wiederum verwundert, gilt die Band in vielen Fan- und Kritikerkreisen als durchaus innovativ), während der Johnny Cash-Biograph Franz Dobler („The Beast In Me“) das Album von Kid Kopphausen in die Musikchronologie seines Lebens aufnimmt.

Hendrik Otremba, Gründer und Frontmann der Post-Punk-Band Messer, nimmt es wiederum mit dem Buchtiteln nicht so ganz genau und so wird in der Rubrik der Bücher, die einen starken Einfluss auf seine Musik ausübten, aus Uwe Johnsons „Mutmaßungen über Jakob“ flugs mal „Mutmaßungen über Hendrik“. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Viele Antworten besitzen einen anekdotenhaften Charakter, Beweisfotos der jeweiligen Regale sowie Portraitfotos der einzelnen Künstler machen aus About My Shelf ein nicht nur lesens-, sondern auch sehenswertes Buch. es macht einfach Spaß und Laune, in diesem Buch zu blättern.

Cherilyn-MacNeil shel

Wer also wissen möchte, wie die „drei Bücher für die Ewigkeit“ für Cherilyn MacNeil (alias Dear Reader, Foto oben) heißen, wessen Bücherregal François Cactus (Stereo Total) gerne mal sehen würde, welche die beste Zeit zum Lesen für Markus Acher (The Notwist) ist, welches Aushängeschild der deutschen Literaturgeschichte Franz Schüte (Jeans Team) „total überbewertet“ hält, wie das Buch heißt, das Valeska Steiner (BOY) besonders beeindruckt hat, warum Kevin Hamann (ClickClickDecker) sich erst spät für Bücher interessierte, was Pola Lia Schulten (Zucker) an Büchern vor allem liebt, wie das Lieblingszitat von Kilian Teichgräber (Egotronic) heißt, von welcher Band sich Linus Volkmann („Lies die Biber“) die erste Single kaufte, warum Ulrike Almut Sandig („Buch gegen das Verschwinden“) nur sehr wenige Tonträger besitzt, mit wem sich Benedict Wells am liebsten auf einen Drink träfe, wobei Melanie Raabe („Die Falle“) die Musik hilft, was Vea Kaiser („Makarionissi oder Die Insel der Seligen“) an Schallplatten besonders mag, aus welchem Jahrzehnt viele Lieblingsalben Nagels („Drive-By Shots“) stammen und warum Katarina Fischer („Liebe geht anders“) Musik am liebsten über Kopfhörer hört, der muss in den Besitz des Bild- ud Interviewbandes About My Shelf kommen, oder dumm sterben. Aber wer will das schon?

„About My Shelf – 20 Interviews über Platten- & Bücherregale“, herausgegeben von Maggie Gernatowski, Verlag von Wegen, 978-3-00-050555-3, 15 €.

Kommentare

  • <cite class="fn">Call Me Appetite</cite>

    Klingt spannend. ich sollte mir das Buch zulegen, da es sich derzeit zu Hause latent die Frage stellt, wie die Musiksammlung in Zukunft präsentiert werden soll (die bisherige Lösung bereitet meiner Frau je länger je weniger Freude (aber wohin mit über 3500 Tonträger?)

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