Interview mit der Schriftstellerin Katharina Hartwell

Katharina Hartwell und die dunkle Seite der Macht

Aufgezeichnet von Gérard Otremba (auch Beitragsfoto)

Mit „Der Dieb in der Nacht“ erschien im Berlin Verlag vor wenigen Wochen der zweite Roman von Katharina Hartwell. Auf der Frankfurter Buchmesse traf ich die in Berlin lebende Schriftstellerin zum Gespräch über Schreibprozesse, Ängste und das Alleine-Arbeiten.

 

Katharina, im Jahre 2013 erschien Dein Debütroman „Das fremde Meer“, zwei Jahre später nun der Nachfolger „Der Dieb in der Nacht“. Was hat sich währenddessen für Dich im Schreibprozess geändert?

Das erste Buch habe ich noch während meiner Zeit am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig geschrieben. Im Schreibprozess war ich also in eine Gruppe eingebunden, musste Textproben vorlegen und es gab Feedback. Beim zweiten Roman war ich allein, es war ein abgeriegelter Schreibprozess, ohne eine Gruppe. Es hat ein Dreivierteljahr gedauert, bis ich meiner Agentin und später dem Lektor etwas zu lesen gegeben habe.

 

Was war für Dich einfacher, das Alleine-Arbeiten, oder das Arbeiten in der Gruppe?

Auf jeden Fall das Alleine-Arbeiten. Ich finde, Feedback kann eine gefährliche Sache sein. Jedes Feedback pusht einen in eine bestimmte und auch immer wieder neue Richtung und je mehr Feedback man bekommt, desto schwieriger wird es, bei sich selbst zu bleiben. Beim „Dieb in der Nacht“ waren drei Leute involviert, das reicht dann auch an Feedback.

 

Du hast Dich für Deinen neuen Roman vom Dokumentarfilm „Der Blender“ inspirieren lassen. Überkam Dich die Idee, daraus einen Roman zu schreiben, sofort, oder hast Du viel Zeit für Recherchen gesteckt?

Nee, das war mir nicht sofort klar. Der Film hing mir nach und ich sprach oft mit anderen über ihn, aber wie ich dann in dem Dreivierteljahr, das zwischen Film-Schauen und Roman-Anfang lag, auf die Idee kam, das literarisch zu verarbeiten, kann ich nicht mehr rekonstruieren.

 

Im neuen Roman Der Dieb in der Nacht herrscht meiner Ansicht nach eine eher bedrückende, düstere und mysteriöse Stimmung, ähnlich vielleicht wie bei E.A. Poe oder E.T.A Hoffmann. Was fasziniert Dich an den Schattenseiten des Lebens?

Das deckt sich schon mit meinem Blick auf die Welt. Ich nehme das Leben vielleicht weniger leicht als andere Menschen. Der Weltsicht, die mir in leichten, komödiantischen Texten verkauft wird, kann ich häufig nichts abgewinnen, weil ich sie falsch und eher uninteressant finde. Ich denke, ich schreibe schon über die Dinge, um die es meiner Meinung nach geht, die den Kern des Lebens ausmachen und das sind eben oft schmerzhafte oder düstere Dinge. Im Schreiben geht es mir, wie im Leben auch, um das Ergründen, also um die Dinge, die ich erst mal nicht verstehe und beunruhigend finde.

 

Fühlst Du Dich von der dunklen Seite der Macht angezogen?

(lacht) Ich finde sie auf jeden Fall interessanter, es gibt dort mehr zu ergründen.

 

Nun hat Paul, der Protagonist Deines neuen Romans „Der Dieb in der Nacht“, ein sehr intensives Freundschaftsverhältnis zum verschwundenen Felix. Gehe ich zu weit, wenn ich ihm gar eine homoerotische Beziehung andichte? Oder wie erklärt man sich seine Felix-Obsession?

Man kann das mit der homoerotischen Beziehung schon gerne so lesen, ich weiß jetzt nicht, wieweit einen diese Lesart bringt. Also, ob es wichtig für Paul als Figur ist, ob er „schwul“ oder nicht „schwul“ ist. Was so ein Label der Figur hinzufügt, weiß ich nicht. Meiner Ansicht nach sind es andere, weniger eindeutig zu fassende und kategorisierende Elemente, die ihn ausmachen, seine Persönlichkeit und sein Begehren bestimmen. Ja, zum Beispiel das Obsessive.

 

Dein Roman spielt mit Verunsicherungen und Ängsten. Bist Du selbst ein ängstlicher Mensch?

Ja, ich bin sehr ängstlich. Es passieren uns allen ja auch schreckliche Dinge. Ich sehe so viele Menschen, denen etwas Furchtbares passiert ist, Familien, denen es schlecht ergangen ist. Ich halte es immer für eine Möglichkeit, dass die Dinge eine ungute Wendung nehmen. Wir haben alle guten Grund, ängstlich zu sein, finde ich.

 

Gibt es denn bestimmte Autoren oder Werke, die Dich nachhaltig beeindruckt haben?

Ja, viele. Ich lese in erster Linie amerikanische Literatur. Margret Atwood, Joyce Carol Oates, aber auch Murakami. „Was ich liebte“ von Siri Hustvedt finde ich wunderbar und manche Bücher lese ich auch mehrmals. Das großartigste Buch der letzten zehn Jahre ist aber The Book Of Strange New Things von Michel Faber.

 

Da mein Online-Magazin Sounds & Books heißt, hast Du einen Bezug zur Popmusik?

Ich habe ganz viel Indie gehört, bin da aber so vor fünf Jahren ausgestiegen. Morrissey, Depeche Mode, The Rakes, Hot Hot Heat und wie sie alle hießen, weiß ich gar nicht mehr, aber wir waren immer oft in der Batschkapp (berühmtester Frankfurter Musikclub, Anm. d. Red.) unterwegs, da hatte ich jedenfalls eine tolle Zeit. Ach ja, natürlich habe ich die jetzt fast vergessen, aber ganz wichtig noch die Band Arcade Fire.

 

Gibt es denn schon eine Idee für ein neues Buch?

Da spreche ich tatsächlich nicht darüber. Und je länger ich darüber nicht spreche, desto besser.

 

Vielen Dank für das Gespräch!  

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