Interview mit dem Autor und Rolling Stone-Redakteur Maik Brüggemeyer

Wie ein gewisser Manni die Welt Maik Brüggemeyers veränderte

Aufgezeichnet und fotografiert von Gérard Otremba

Vor seiner Lesung beim Harbour Front Literaturfestival im Hamburger Hard Rock Café traf ich den Autor Maik Brüggemeyer auf ein Gespräch zu seinen neuen Roman „Catfish – Ein Bob Dylan-Roman“. Auf meine Fragen über das Buch, die Musik Dylans sowie seine literarischen und musikalischen Einflüsse gab mir der Rolling Stone-Redakteur folgende Antworten.

 

Maik, Du hast Dir einen relativ unbekannten Dylan-Song als Titel Deines Romans ausgesucht. Wieso ausgerechnet „Catfish“?

Die Geschichte über Manni, die ich im Prolog von „Catfish“ erzähle, ist wahr. Er war damals der Leiter unserer Jungkolpinggruppe – Jungkolping ist quasi eine katholische Arbeiterjugend, wenn man so will –, und er hat uns, als wir in der Nähe unseres Heimatdorfes zelteten, tatsächlich von Dylans Song „Catfish“ vorgeschwärmt – man muss im Nachhinein sagen, seine Schilderung war wesentlich spektakulärer als das Lied, weil er uns seine ganz eigene Dylan-Privatmythologie eröffnete. Als mich ein Literaturagent fragte, ob ich nicht Lust hätte, ein Buch über Bob Dylan zu schreiben, fiel mir diese Begebenheit wieder ein. Denn eine Biografie wollte ich beim besten Willen nicht schrieben. Erstens gibt es schon sehr viele davon, und zweitens habe ich generell ein gespaltenes Verhältnis zu Musikerbiografien – irgendwie brachten sie mich dem, was ich an einem Künstler schätze, nie wirklich näher. Und so dachte ich, es wäre doch interessant, mit den Mitteln der Fiktion in die Welt des Künstlers einzutauchen. Die „Manni“-Geschichte war die Ausgangsbasis für diese kleine Mythologie, das „Ich“, das zu Beginn mit mir selbst identisch ist, wird im Verlauf des Textes immer fiktionaler und „Catfish“ dient letztendlich als Synonym für den, nennen wir es mal: mythischen Bob Dylan, den Bob Dylan also, den der Songwriter und seine Zuhörer erschaffen haben.

 

Nun lässt Du viele verschiedene Dylan-Texte in deutscher Übersetzung in den Roman einfließen. Kanntest Du alle auswendig, oder wie lange hat die Recherche dafür gedauert?

Im Prinzip seit der „Manni“-Geschichte am Lagerfeuer, damals als Jugendlicher. Die Texte waren nicht das Problem, da sind schon sehr viele hängengeblieben. Bücher hatte ich auch genügend über ihn gelesen. Zur weiteren Recherche habe ich noch mal diverse Dylan-Interviews nachgelesen und vieles aus eigener Erinnerungen hervorgeholt.

 

Würdest Du Dich als Dylanologen bezeichnen?

Nein, eher als „Dylan-Emo“, wenn es so etwas gibt. Deswegen heißt das erste Kapitel auch den Titel „Das Dylan-Gefühl“. Wenn überhaupt sehe ich eher jemanden wie Greil Marcus als Vorbild, der auch nicht an einzelnen Worten klebt, sondern sich sehr assoziativ an Dylan abarbeitet. Wenngleich er sich natürlich wesentlich expliziter auf die amerikanische Geschichte bezieht als ich es tue.

 

Was reizt Dich an Bob Dylan so sehr, dass Du einen Roman über ihn geschrieben hast?

Ich habe sehr lange mit seiner Musik gelebt, und sie ist mir nie über geworden. Im Gegenteil, mit der Zeit wurde die Leidenschaft immer intensiver. Und da sich Bob Dylan einerseits über den jeweiligen Klang seiner Stimme präsentiert, aber andererseits natürlich auch sehr über die Sprache kommt, lag es nahe, ihm eben mit diesen Mitteln zu begegnen.

 

Wann begann Dein Faible für Bob Dylan?

Mit 14, 15 Jahren. Besagter Manni spielte da eine entscheidende Rolle. Ich erinnere mich, wie er das damals erschienene Dylan-Album „Under The Red Sky“ in den Himmel lobte, während die Platte wenig später sogar in einer Messdienerzeitschrift verrissen wurde. Da war ich kurz verunsichert.

 

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Wie heißen Deine fünf Lieblingsalben von Bob Dylan?

Blonde On Blonde  

Blood On The Tracks

Time Out Of Mind

Highway 61 Revisited

Und eigentlich die Basement Tapes, aber das gilt nicht wirklich, deshalb

Planet Waves

 

Und die fünf Lieblingssongs? Oder wird das zu schwierig?

Nein, vielleicht sogar einfacher.

Tangled Up In Blue

Visions Of Johanna

One Too Many Mornings

Blind Willie McTell

Not Dark Yet

Ich könnte natürlich sagen, an einem anderen Tag wären es andere Stücke, aber nein, es sind wohl tatsächlich genau diese fünf Songs!

 

Wie viele Dylan-Konzerte hast Du bisher besucht? Welche waren die Highlights du welche fielen durch?

Über 20 in der Zwischenzeit. Zuletzt vier Mal hintereinander in Berlin, just als er anfing, immer dieselbe Setlist zu spielen. Aber dafür ist es interessant, die Reaktionen des wechselnden Publikums zu beobachten. Schlechte Dylan-Konzerte habe ich nicht wirklich erlebt. Die Highlights sind natürlich immer sehr persönlicher Natur, bei mir waren das sicherlich die Konzerte 1996 in Hamburg als Special Guest von Neil Young und den Sternen als Support sowie im Jahre 2000 in Münster – das einzige Konzert, bei dem ich war, wo Bootlegaufnahme und Erinnerung zusammenpassen.

 

Die Musik welcher anderen Künstler bereicherte Dein Leben?

Charles Mingus, Paul McCartney, Robert Forster, Bill Callahan, Joni Mitchell … Da gibt es natürlich sehr viele, die ich hier nennen könnte, meistens alte Sachen wie Captain Beefheart zum Beispiel, für mich eine Mischung aus John Coltrane und Bob Dylan, oder die Beach Boys. Aus meiner Jugend ist sind mir vor allem Pavement, Sebadoh und Wilco geblieben, in letzter Zeit habe ich wieder viel Joanna Newsom gehört, von der nun bald ein tolles neues Album erscheint.

 

Gibt es auch Autoren, oder einzelne Bücher, die Dich prägten?

Den tiefsten Eindruck, weil in jungen Jahren gelesen, haben vermutlich die Werke von Italo Svevo, Eckhard Henscheid, Richard Brautigan und Kurt Vonnegut hinterlassen. Später habe ich Phasen gehabt, in denen ich nur Thomas Bernhard lesen konnte, auch Rainald Goetz war mal wichtig, die Romane von Philip Roth habe ich fast alle gelesen. Häufig beeindrucken mich aber eher einzelne Romane eines Schriftstellers, nicht das gesamte Werk. Oft habe ich nach der begeisterten Lektüre eines Romans einen zweiten desselben Autors versucht und bin daran gescheitert. Den Romanen von Michael Chabon, Edward St. Aubyn und Jonathan Lethem gebe ich eigentlich immer eine Chance – nicht immer bin ich von ihnen begeistert. Für mein journalistisches Schreiben war definitiv auch mein Kollege Arne Willander ein wichtiger Einfluss. Da galt es irgendwann mal, sich freizuschwimmen und nicht so zu schreiben, wie eine schlechte Kopie des großen Vorbilds. Manchmal hat es geklappt.

 

Als Redakteur beim Rolling Stone hast Du viele Musiker persönlich getroffen und interviewt. Gibt es besondere Begebenheiten, an die Du Dich gerne erinnerst?

Normalerweise trifft man die Musiker im Hotel, geht da rein und nach 30 Minuten wieder raus. Ich traf aber mal Robert Wyatt in einem Pariser Hinterhof in Saint Germain des Prés. In dem Viertel spielten früher all seine Jazz-Helden und so kam die Idee auf, mal die Clubs von früher zu besuchen. Allerdings waren die Gassen dort teilweise so eng, dass Robert Wyatt mit seinem Rollstuhl nicht durchkam. Einmal wollte ich unbedingt zur Vorstellung der Aufnahmen von Paul McCartneys Nebenprojekt The Fireman nach London. Da ich mir keine Übernachtung leisten konnte, bin ich morgens um sechs ohne Frühstück auf die Insel geflogen, hörte mir in den Abbey Road Studios die Platte an, und trank mit einem Kollegen dann noch das ein oder andere Bierchen, da uns noch für später ein Überraschung versprochen worden ist. Die hieß dann: Es wurde Wein serviert. Ich war also schon etwas angeheitert, als plötzlich dann doch Paul McCartney an der Tür stand und jeder ihm zwei Fragen stellen durfte. Die Fragen waren dann unwichtig, aber Paul McCartney begegnet zu sein, das war natürlich ein großer Moment. Wie gerne wäre ich da nüchtern gewesen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Kommentare

  • <cite class="fn">gerhard</cite>

    Beefheart als Mischung aus Coltrane und Dylan zu bezeichnen, ist eine interessante, wenn auch gewagte Theorie.
    Ich kenne einige Leute, die hätten McCartney wenn überhaupt, dann nur betrunken ertragen 😉 (ich rechne mich da nicht dazu).
    Und zur Ehrenrettung von Jugendleiter Manni: haben wir nicht alle unsere ganz eigene Dylan-Privatmythologie?
    Viele Grüße,
    Gerhard

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