Paul Colize: Back up – Kriminalroman

Die Rock’n’Roll-Verschwörung

von Gérard Otremba

Auf einen abenteuerlichen Trip schickt uns der belgische Autor Paul Colize mit seinem Kriminalroman Back up. Nachdem die Band Pearl Harbour im März 1967 in Berlin den Song „Girls Just Wanna Get Fucked All Night“ in einem Studio einspielt, und für die Aufnahme verhältnismäßig viel Geld erhält, trennen sich die Wege der einzelnen Mitglieder, die wenige Tage später innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums an verschiedenen Orten unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden werden. Die örtliche Polizei kann jeweils nichts Verdächtiges an den Todesfällen entdecken und legt die Fälle zu den Akten. Lediglich ein irischer Reporter verfolgt die Spur.

Im Jahr 2010 erwacht in einem Brüsseler Krankenhaus ein Obdachloser nach einem Verkehrsunfall mit einem Locked-In-Syndrom. Nur durch Augenblinzeln kann er sich verständigen, doch verschweigt er aus gutem Grund seine Identität. Erst zu dem einfühlsamen Physiotherapeuten Dominique fasst der Unbekannte so etwas wie Vertrauen und verrät ihm nach und nach winzige Details zu seiner Person. Aber er erinnert sich und Paul Colize erzählt die Geschichte des Traumatisierten aus der Ich-Perspektive, so dass wir die Biographie eines talentierten Schlagzeugers erfahren, der als Kind in der 50ern zum ersten Mal mit dem Rock’n’Roll in Berührung kam, als er „Maybellene“ von Chuck Berry verfiel. Die Erinnerungspassagen dienen Colize für eine umfassende Rock’n’Roll-Studie der 50er- und 60er Jahre, die mit Abstand spannendste Zeit des Pop-Rock, in die er seinen Protagonisten abtauchen lässt, der Anfang der 60er vor dem belgischen Militärdienst flieht, seinen Namen mit gefälschten Papieren ändert, und in Paris und London das goldene Zeitalter der aufkommenden Gegenkultur live, in Farbe, am eigenen Körper und mit allen Vor- und Nachteilen erlebt. Das Who is Who der Popkultur hält selbstverständlich Einlass in Back up, wie Bill Haley, Little Richard, Jerry Lee Lewis, The Everly Brothers, Elvis Presley, Eddie Cochran, The Shadows, The Beatles, Bob Dylan, Cream und Jimi Hendrix, nur um einige hier erwähnte Künstler zu nennen.

Doch Paul Colize verklärt die 60er nicht. Drogenexzesse, die in Gewalt eskalieren, werden schonungslos und realistisch dargestellt, genauso realistisch wie die Besuche von enthusiastisch gefeierten Konzerten der Rolling Stones und The Who im Jahre 1965, für die sich Nachgeborene mindestens eine Zeitmaschine wünschen. Unser Schlagzeuger gerät in den berüchtigten Strudel aus Sex, Drugs & Rock’n’Roll, bis er im März 1967 einen Job als Back-up für den Schlagzeuger von Pearl Harbour annimmt, der für die eingangs erwähnte Plattenaufnahme krankheitsbedingt und sehr kurzfristig ausfiel. Eher zufällig kommt er einer Manipulation der Bänder von ganz hoher Ebener auf die Spur, eine Erkenntnis, die ihn in höchste Gefahr bringt. Back up von Paul Colize ist ein origineller Rock’n’Roll-Verschwörungs-Thriller, der alle Rock-Pop-Enthusiasten erfreuen sollte, egal, ob sie die beschriebene Zeit erlebten, oder nicht. Und für alle Krimi-Freunde baut Colize ausreichend Cliffhanger ein, um genügend Spannung aufkommen zu lassen. Sehr unterhaltsam.

Paul Colize: „Back up“, Edition Nautilus, Klappenbroschur, aus dem Französischen übersetzt von Cornelia Wend, 978-3-89401-822-1, 19,90 €.

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