Kathrin Wessling: Morgen ist es vorbei

Ein Atem raubender Parforceritt durch die Abgründe des Liebeskummers

von Gérard Otremba

Nein, morgen ist es nicht vorbei. Jedenfalls nicht für die Protagonisten in Kathrin Weßlings Erzählband Morgen ist es vorbei. In dreizehn Geschichten und einem kurzen Zwischenspiel spürt die Hamburger Autorin psychologische Abgründe des Liebeskummers auf. Den meisten sind die Nachwirkungen des Verlassenwerdens wohl bekannt. Das Nichtbegreifen, das Nichtloslassenkönnen, der Schmerz, die Verzweiflung. Und natürlich die Hoffnung auf bessere Zeiten. Aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt Kathrin Weßling die Befindlichkeiten nach einer Trennung, und es sind keine positiven. Weßling konfrontiert den Leser mit einem furiosen und atemlosen Gedanken- und Gefühlssturm. In ihren Geschichten saugt sie den Mark des Lebens auf, doch der hat einen hohen Preis und nicht selten endet dieser Parforceritt in der Selbstverleugnung einzelner Hauptpersonen, wenn eine Beziehung in die totale Identifikation mit dem Partner führt, wie es Weßling in „Oder niemals wieder“ auf den Punkt bringt.

Die absonderlichen Abhängigkeitsverhältnisse in Paarbeziehungen führen in Kathrin Weßlings Stories teilweise bis zur Ausweglosigkeit. Es sind Geschichten über das Scheitern von Beziehungen, denen jedoch die Sehnsucht nach Liebe zu Grunde liegt. Manchmal möchte man einige Personen kräftig durchschütteln und wachrütteln, um das Suhlen in Selbstmitleid endlich zu beenden, denn trotz des großen Verständnisses für ihre prekäre seelische Lage, schwimmen einige viel zu lange in ihrem negativen Gefühlsbad. Verständlich zwar in der Enttäuschung, aber „…vielleicht scheitere ich nur an meinen Wünschen und Ansprüchen, an meinen dummen Begehrlichkeiten“ wie es Eva gleich zu Beginn einer Mail an Lena in „Schwimmen“ erklärt. Die Egozentrik steht einem häufig im Weg und manchmal schlägt sie gar in Rachegefühle („Winter für immer“) und Gewalt („Wilde Wesen“) um, dann wird es gefährlich. Die Geschichten in Morgen ist es vorbei ähneln einer emotionalen Achterbahn. Kathrin Weßlings Texte sind modern, mutig, direkt und radikal. Morgen ist es zwar nicht vorbei, aber eines Tages, eines Tages wird alles gut, denn die Hoffnung stirbt zuletzt.

Kathrin Weßling: „Morgen ist es vorbei“, Luchterhand Literaturverlag, Klappenbroschur, 978-3-630-87494-4, 14,99 €.  

Kommentar schreiben