Warpaint live im Hamburger Gruenspan 2014 – Konzertreview

Überwältigender, atmosphärischer, experimenteller Schönklang von Warpaint

von Gérard Otremba

Spätestens wenn Emily Kokal bei der ersten Zugabe „Baby“ ins Mikro haucht, liegt man ihr und ihren Kolleginnen von Warpaint zu Füßen und ist den Damen hilflos ausgeliefert. Allein mit einer Gitarre mutiert die Sängerin zu einer verhuschten Indie-Ausgabe von Joni Mitchell, in der Intensität ihres Vortrages Laura Marling sehr ähnlich. Von Intensität und Spannung lebt das ganze, knapp 90 Minuten dauernde Konzert im ausverkauften Gruenspan. Die vier Musikerinnen von Warpaint lassen mit ihren flirrenden Songstrukturen die Luft vibrieren. Jenny Lee Lindberg am Bass, Stella Mozgawa am Schlagzeug, sowie Emily Kokal und Theresa Wayman, die sich Vocals, Gitarren und Keyboards teilen, erschaffen einen Sound, der sich gängigen Popschubladen entzieht, mit sinisterer Eleganz verzaubert und einen in eine zwar düstere Welt versetzt, die jedoch durch die verführerischen, sirenenhaften Gesänge von Wayman und Kokal mit Lichtstrahlen erfüllt wird. Acht der 15 gespielten Songs stammen vom neuen „Warpaint“-Album, das Spektren der alten New Wave erweitert. Ein mächtiger Bass, Percussion und die Bassdrum  dominieren Stücke wie „Keep It Healthy“ und „High“, der hypnotische Gesang von Kokal und Wayman, mal abwechselnd, mal gemeinsam, entführt das Publikum in transzendentale Sphären. Man steht im Raum und ist völlig fasziniert und gebannt ob der Schwerelosigkeit dieser minimalistischen und doch so kraftvollen Songs.

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Foto: Universal Music

Ob „Love Is To Die“, „Biggy“, oder „Feeling Alright“, sie alle verströmen eine elektrifizierende Magie, mal in Dark Wave („Biggy“) und manchmal im weitesten Sinne auch im Dream-Pop („Feeling Alright“) zu verorten. Von nicht minder bannender Magie sind die gewählten Kompositionen aus dem Debütalbum The Fool, „Composure“, „Undertow“ und „Bees“. Immer wieder schleicht sich zweifellos der Düster-Pop der Indie-Ikonen-Band Joy Division in die Klänge von Warpaint, der in dem fragilen „No Way Out“ einen von vielen Höhepunkten dieses Konzertes erlebt. Trotz der teils ausufernden Rhythmen und experimentellen Arrangements erzeugen die Warpaint-Songs eine rundherum spürbar dichte Atmosphäre, es entfaltet sich eine  Musik gewordene Poesie. Vor den Zugaben verabschieden sich die vier aus Los Angeles stammenden Musikerinnen mit „Disco/Very“, einem tatsächlich zum Tanzen animierenden, groovy Indie-Disco-Song, der fast schon eine solitäre Rolle im Klangkosmos von Warpaint einnimmt. Mit „Elephants“ endet dann der Gig endgültig, ein langatmiger Monolith, der alle musikalischen Grenzen und Ketten sprengt und das Publikum endgültig in einen rauschhaften Taumel versetzt. Jeder, der an diesem Abend das Konzert im Gruenspan verfolgte, weiß, warum der Hype um Warpaint völlig berechtigt ist. Musik, nicht von dieser (Pop-)Welt.

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