Sven Regener: Lesung aus Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt im St. Pauli-Theater

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Sven Regener und der literarische Tour de Force-Ritt durch seinen neuen Roman

von Gérard Otremba

Sven Regener hat sich zu einem Tausendsassa entwickelt. Längst eine Institution im deutschen Kulturbetrieb, tanzt der 53-jährige Regener auf vielen Hochzeiten und hinterlässt überall einen gute Figur. Priorität im Schaffen des gebürtigen Bremers genießt seit fast 30 Jahren die Band Element Of Crime, bei der Regener singt, textet, Trompete und auch Gitarre spielt. Seit 2001 und dem Erscheinen seines Debütromans „Herr Lehmann“, dem die Bände „Neue Vahr Süd“ und „Der kleine Bruder“ sowie die Logbücher „Meine Jahre mit Hamburg-Heiner“ folgten, verdingt sich Sven Regener auch als Schriftsteller. Darüber hinaus produzierte er zwei Alben der Berliner Songwriterin Maike Rosa Vogel und drehte gemeinsam mit Leander Haußmann den Film „Hai-Alarm am Müggelsee“. Für Haußmanns Peter Pan-Inszenierung am Bochumer Schauspielhaus spielte Regener mit Element Of Crime im Jahr 2000 die Soundtrack-EP „Irgendwo im Nirgendwo“ ein. Nur um die wichtigsten Aktivitäten Regeners zu dokumentieren. Viel zu tun für den in Berlin lebenden Regener und der Literaturbetrieb fordert nach einer Buchveröffentlichung natürlich eine Lesereise. Doch auch dafür findet Sven Regener Zeit und gastierte am 27. Januar im ausverkauften Hamburger St. Pauli-Theater. Denn mit Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt erschien im September letzten Jahres im Galiani Verlag sein neuer Roman. Karl „Charlie“ Schmidt, exzentrischer Künstler und bester Kumpel von Frank „Herr“ Lehmann, verfällt bekanntlich zum Ende der Lehmann-Trilogie, am geschichtsträchtigen 9. November 1989, dem Wahn und erholt sich die nächsten Jahre in Hamburg, zuletzt in der Drogen-WG „Clean Cut1“ in Altona, wie wir aus dem Buch  Magical Mystery erfahren, wo die Geschichte des Karl Schmidt fünf Jahre später ihre Fortsetzung erfährt.

Karl Schmidt und seine Abenteuer auf der Magical Mystery-Tour

Wie üblich steht Sven Regener bei seiner Lesung, die Flasche Bier in Reichweite auf dem Pult vor ihm stehend, und begeistert in den nachfolgenden 95 Minuten das Hamburger Publikum, trotz Vorabwarnung, Hamburg käme in diesem Buch nicht ganz so gut weg, aber da hieße es „Augen zu und durch“, mit einer entfesselten Darbietung seiner ausgewählten Romanpassagen. Eine Sven Regener-Lesung ist nicht einfach irgendeine Lesung, sie gleicht mehr einer Performance, ja, fast eines Ein-Mann-Theaterstückes, denn mit Händen und Armen gestikulierend pointiert Regener seine Textpassagen, liest sich gleichsam in Rage und gibt allen seinen Protagonisten eine eigene Stimme. Ein Tour de Force-Ritt durch 14 ausgewählte Kapitel von Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt. Regeners Romane sprühen vor charmanten bis skurrilen Witz, in seiner Lesung toppt er diesen Humor auf anschauliche Weise. „Alles Tippitoppi“ würde der ausgelassene Raimund Schulte, ein Kumpel Charlies aus Berliner Tagen und Auslöser für dessen Abenteuer in der deutschen Rave-Dance-Szene, die Karl „Charlie“ Schmidt weg von der Hamburger Drogen-WG und über die Fahr- und Hilfsdienste bei der Magical Mystery-Tour (nein, nicht die der Beatles) hin auf die DJ-Bühne zu Holger bringt, einem Teil des groß angesagten Techno-Duos HostiBrosti, und sich für seine Verhältnisse mal richtig gehen lässt und das Treiben wie folgt kommentiert: „Ich drehte mich um und wackelte mit meinem fetten Riesenarsch Richtung Publikum, das war es ja wohl, weswegen ich hier war, faceless Techno, mein Gesicht kriegst du nicht, aber meinen Arsch kannst du haben!“ Mit diesen Worten verabschiedet sich Sven Regener und schlurft von der Bühne. Aber in nicht allzu ferner Zukunft werden wir wieder von ihm hören. Eine neue Element Of Crime-Platte ist in Arbeit und der nächste Herbst kommt bestimmt.

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