Neil Young & Crazy Horse live in Hamburg

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Ein prächtig aufgelegter Neil Young rockt Hamburg

von Gérard Otremba

Als Vorgruppe gibt es an diesem Abend die aus Kalifornien stammende Band Los Lobos zu hören. Die Formation um David Hidalgo hatte in der 80er Jahren mit der Richie Valens-Nummer „La Bamba“ einen ganz fetten Hit und wird seitdem immer mit diesem Song in Verbindung gebracht. Schade, dass die Herren ausgerechnet ihren Welthit dem geneigten Publikum nicht präsentieren. Vielleicht sind sie ihn überdrüssig geworden, aber der Mix aus Blues-Rock, Latinoklängen und Rock’n’Roll dient dann doch als ganz gute Aufwärmung für den zum ersten Mal seit 2008 wieder live in Hamburg auftretenden Neil Young.

Neil Young & Crazy Horse als Quintessenz zwischen Wucht und Melodie

Zu den Klängen des Beatles -Klassikers „A Day In The Life“ werden gegen 21 Uhr riesengroße Verstärker auf der Bühne enthüllt, sowie ein überdimensionales Vintage-Mikrophon von der Decke gelassen. Ganz staatsmännisch versammeln ich dann Neil Young, Gitarrist Frank „Poncho“ Sampedro, Bassist Billy Talbot, Drummer Ralph Molina und einige Crewmitglieder zur deutschen Nationalhymne, bevor die vier das Konzert mit „Love And Only Love“ vom Ragged Glory-Album beginnen und straight in den Gitarrenhimmel hinein donnern. Denn schon versammeln sich Young, Sampedro und Talbot auf circa zwei Quadratmeter vor dem stoisch aufsein Schlagwerk klöppelnden Molina und jammen los, Young sofort in exzessive Gitarrensoli verfallend. Neil Young und seine verrückten Pferde stehen seit jeher für die unfertige Wucht des Rock, ohne das Melodiöse (jedenfalls meistens) zu vernachlässigen. Mit viel Gefühl für die Melodie inszeniert Young anschließend seinen All-Time-Klassiker „Powderfinger“, ein Wahnsinns-Song, immer wieder gerne gehört, bevor es mit dem Titelstück der aktuellen LP „Psychedelic Pill“ wieder etwas rabiater im Sound wird.

„Walk Like A Giant“ als sensationeller Höhepunkt

Ein echtes Highlight steht dann mit „Walk Like A Giant“, ebenfalls von Psychedelic Pill, auf dem Programm. Dieser Song ist eine affengeile Kreuzung aus „Cortes The Killer“ und „Like A Hurricane“ und Youngs beste Arbeit mit Crazy Horse seit Ragged Glory. Ein Monument von einem Stück, bei dem sich Neil Young minutenlang in bester Manier auf seiner Gitarre austoben kann, dabei den Oberkörper wie immer leicht nach vorne gebeugt und in seinen Gitarrenparts versinkend, mit den anderen Jungs immer wieder in ein unfaßbar eingängiges Pfeifen verfällt und auch vor der Rückkoppelungsorgie am Ende kein Halt macht. Im Gegenteil kostet er jede Sekunde genüßlich aus, durchaus zum Verdruß einiger verständnisloser Besoffener und Krakeler im Publikum. Youngs neuer Song „Hole In The Sky“ nimmt dann deutlich Druck aus dem Gitarrengewitter. Während die Pferde eine kleine Pause an der Tränke einlegen, geht Neil Young in ein Akustikset über und intoniert zum Entzücken der Gäste seinen immer noch bekanntesten Ohrwurm „Heart Of Gold“. Mit dem Bob Dylan-Cover „Blowin‘ In The Wind“ und dem bis dato unveröffentlichten Klavier-Song „Singer Without A Song“ geht es weiter, dann ist die Rhythmus-Maschine wieder zurück und zusammen spielen sie ein wirklich zauberhaft elegisches und ellenlanges „Ramada Inn“. Youngs herrliches Gitarrenspiel entzückt hier aufs Äußerste, einfach großartig.

Gitarrengewitter, Psychedelic-Rock und ein neidischer Blick nach Berlin

Zwischen brachialer, roher Urgewalt und schönstem Pop changiert „Cinnamon Girl“, einfach unverwüstlich dieses 43 Jahre alte Lied. Gewaltig und mit viel Witz und Ironie versehen, donnert noch „Fuckin‘ Up“ durch die Halle, der Buffalo Springfield-Klassiker „Mr. Soul“ erschallt im schönsten Psychedelic-Rock-Gewand und zum Schluss zerlegen Neil Young & Crazy Horse „Hey Hey, My, My (Into The Black)“ in alle Einzelteile, mehr Rock geht nicht, ein irres und wahnsinniges Konzertende. Da kann die erste Zugabe „Roll Another Number“ naturgemäß nicht mithalten und neidvolle Gedanken wandern gen Berlin, wo es am Vorabend beim Konzert in der Waldbühne zu diesem Zeitpunkt „Like A Hurricane“ zu hören gab. Aber gut, man kann nicht alles haben, der kleine Abzug in der B-Note wird durch die zweite Zugabe „Everybody Knows This Is Nowhere“ noch leicht kompensiert. Alles in allem ein geniales Konzert von nun auch im Rentenalter angekommenen Neil Young und seinen immer noch famos aufspielenden Kumpels von Crazy Horse.

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