The Rolling Stones: Grrr!

It’s only Rock’n’Roll

von Gérard Otremba

 grrr

Es muss so sein. Jede Generation hat das Recht auf eine Art Best-Of-Kompilation von den Rolling Stones. Unsereins ist mit der Doppel-LP (genau Langspielplatte!)„Rolled Gold- The Very Best Of The Rolling Stones“ aufgewachsen, Mitte der 70er Jahre erschienen, aber auch in den 80ern der beste Einstieg in die glorreiche Stones-Zeit der 60er Jahre. 1989 folgte dann die schöne CD-Box „Singles-Collection – The London Years”. Diverse zeitlose Stones-Meisterwerke wie “Aftermath”, “Between The Buttons”, “Beggars Banquet”, “Let It Bleed”, “Sticky Fingers” und “Exile On Main St.” gehörten damals natürlich zur unbedingten Musiksozialisation.

50 Jahre Rolling Stones

2002 dann die lustig in der Reihenfolge zusammengewürfelten „Forty Licks“, eine Doppel-CD, die auch die 70er- und 80er Jahre der Stones berücksichtigte und die die drei neue Songs „Don’t Stop“, „Stealing My Heart“ und „Losing My Touch“ enthielt. Natürlich hat man zum 50. Geburtstag der Rolling Stones die große Welttournee erwartet, oder doch wenigstens ein neues Album. Als Kompromiß ist „Grrr!“ herausgekommen. Eine weitere Greatest-Hits-Sammlung also, die mit „Doom And Gloom“ sowie „One more Shot“ wiederum zwei neue Lieder zum Oeuvre der Stones hinzufügt. Und so hat man sie wieder vereint auf drei CDs (und weil bald Weihnachten ist, gibt es „Grrr!“ in verschiedenen Ausgaben, von der Doppel-CD bis zur Deluxe Edition mit fünf CDs), die epochalen Kracher von Mick Jagger, Keith Richards, Charlie Watts und Ron Wood (früher noch Bill Wyman, Brian Jones und Mick Taylor). Von denen hatten die Stones unzählige auf Lager, da sind drei Stunden schnell gefüllt, ohne Langeweile aufkommen zu lassen.

Die Stones-Hits der 60er- und 70er Jahre

Selbstverständlich werden alle Jahrzehnte abgedeckt, den Löwenanteil erben logischerweise die 60er- und 70er Jahre, da überschlugen sich die Stones natürlich und schrieben Musikgeschichte. Von „The Last Time“ zu „Satisfaction“, von „Get Off Of My Cloud“ zu „Paint It, Black“, von „Under My Thumb“ zu „Let’s Spend The Time Together“. Anschließend folgten „Jumpin‘ Jack Flash“, „Honky Tonk Woman“ und „Sympathy For The Devil“. Und weil das alles nicht reicht, fütterten sie die Musikliebhaber noch mit „Street Fighting Man“, „Gimme Shelter“, „Brown Sugar“ und „Tumbling Dice“. Besserer Rock’n’Roll war nicht möglich. Einziges Manko dieser Auswahl ist die Plazierung von „She’s A Rainbow“ zwischen „Wild Horses“ und „Brown Sugar“, erschien doch dieser Song bereits 1967 auf „Their Satanic Majesties Request“, also vier Jahre vor „Brown Sugar“ und hätte dann (wenn schon ungefähre zeitliche Reihenfolge) in der Nähe von „We Love You“ gesteckt werden müssen. Aus der „Disco“-Phase der Stones hören wir „Miss You“, „Respectable“ und „Emotional Rescue“, wo sich Mick Jagger allergrößte Mühe gibt, so wie die Bee Gees zu klingen, was bei ihm definitiv aufgesetzt tuntig klingt. Wie viele Rock’n’Roll-Helden der 60er (Bob Dylan, Neil Young, Paul McCartney) lieferten auch die Stones in den 80ern für ihre Verhältnisse leidliches Mittelmaß, von „Start Me Up“, „Undercover Of The Night“ und „She Was Hot“ mal abgesehen.

Die Wendezeit und zwei großartige neue Songs

Ähnlich wie bei Dylan mit „Oh Mercy“ und Young mit „Freedom“, markierte das Jahr 1989 auch bei den Stones mit dem Album „Steel Wheels“ und dem hier vertretenen Song „Mixed Emotions“ ein Wende zum Guten. In den letzten 20 Jahren erschienen sowieso nur noch drei Studioalben, „Love Is Strong“ sowie „Anybody Seen My Baby“ dienen als Beispiel dieser Schaffensperiode, die Platte „Biggerbang“ wurde leider nicht berücksichtigt. Ganz formidabel der neue Song „Doom and Gloom“. Der beste Stones-Song seit „Start Me Up“. Donnernde Drums, markante Gitarrenlinks sowie ein total aufgedrehter Jagger an den Vocals, sensationell. Mick Jagger und Keith Richards werden nächstes Jahr beide 70 Jahre alt, aber wer diese Energie noch so gekonnt vermittelt, darf weitermachen. Auch „One More Shot“ hat das gewisse Stones-Feeling, die lässigen Hooks, die bewährten Gitarrenriffs, die Stones auf das Wesentliche reduziert, sehr schön. Und jetzt warten wir geduldig auf die Bekanntgabe der Daten für die Welttournee.

„Grrr!“ von den Rolling Stones ist am 9.11.2012 bei Polydor / Universal erschienen.

Kommentar schreiben