The Velvet Underground & Nico: 45th Anniversary Deluxe Edition

Ein Meilenstein im neuen Glanz

von Gérard Otremba

Feste soll man bekanntlich feiern wie sie fallen. In der Rockmusik gibt es immer Anlässe, Alben die Geschichte schrieben, durch eine neue Edition in den Mittelpunkt zu stellen. Nun also 45 Jahre Velvet Underground & Nico. Die Platte mit dem berühmten Bananencover von Andy Warhol. Zweifellos ein Meilenstein der Rockmusik, der von lieblichen Melodien bis zum nervenaufreibend-obskuren Sound alles zu bieten hat. Lou Reed, John Cale, Sterling Morrison, Moe Tucker und die von Warhol in die Band installierte Gastsängerin Nico, geboren als Christa Päffgen, loten selbst für die Jahre 1966/67 die musikalischen Extreme in Grenzbereichen aus. Diese Art des Avantgarde-Rock-Pop gab es vorher so noch nicht und interessierte 1967 auch kaum jemanden. Von Künstler-Kauz Warhol in dessen „Factory“ protegiert, war The Velvet Underground eine Hipster-Band mit Boheme-Appeal. Ein Kunst-Gegenentwurf zu zur Hippie-Strömung, obwohl sich auch ein Lou Reed im verträumt-zarten „Sunday Morning“ dem Westküsten-Zeitgeist nicht entziehen konnte. Die von Nico mit dunkler Grabesstimme vorgetragenen Songs „Femme Fatale“, „I‘ll Be Your Mirror“ und „All Tomorrows Parties“ fangen den Gras geschwängerten Duft der Mittsechziger ebenfalls blendend ein.

Mit wesentlich härteren Drogen setzt sich Reed bei „I’m Waiting For The Man“ und „Heroin“ auseinander. Ist „I’m Waiting For The Man“ ebenso wie „Run Run Run“ noch sehr im Rock’n’Roll eines Bob Dylan während dessen „Highway 61 Revisited“ und „Blonde On Blonde“-Phase zu verorten, gehen die Velvets mit „Heroin“, dem Thema angepaßt, auf Entdeckungstour und verstören die Hörer mit einigen schrägen und verzerrten Sounds. Die S/M-Phantasien von „Venus In Furs“ zeigt ebenfalls, wie weit sich Reed und Cale als musikalische Köpfe der Formation vom Mainstream entfernt hielten. Vergleichsweise geschmeidig gerät „There She Goes Again“, während man für „The Black Angel’s Death Song“ und besonders den „European Son“ schon Nerven aus Drahtseilen benötigt. Hier ein falscher Trip und man springt freiwillig aus dem Fenster. Doch wer Grenzen sprengt, fällt bekanntlich auf. Zum Geburtstag gibt es natürlich Geschenke, hier vorliegend in einer Doppel-CD mit diversen alternativen Versionen, auch Acetat-Aufnahmen vom April 1966 sowie bislang unveröffentlichtes Material aus der Factory vom 03.01.1966. Und wer voll auf die Kakophonie des „European Son“ steht, wird bei dem knapp 12-minütigen „Miss Joanie Lee“ ebenfalls auf seine Kosten kommen. Sammler, Jäger und Nerds benötigen schätzungsweise die Super Deluxe Edition mit sechs CDs, Velvet-Einsteiger können mit der Doppel-CD der Deluxe Edition vorlieb nehmen.

 The Velvet Underground & Nico: 45th Anniversary Deluxe Edition ist am 26.10.2012 bei Polydor / Universal erschienen.

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