CD-Kritik zu Bruce Springsteen: Darkness On The Edge Of Town, The Promise

Zauberhafte Bruce-Springsteen-Box: „Darkness On The Edge Of Town“ remastered sowie die Doppel-CD „The Promise“ mit unveröffentlichten Songs und drei DVDs

von Gérard Otremba

Die musikalischen Schatzausgrabungen verdienter Rock’n’Roll-Gößen gehen weiter. Eine wunderbare CD-Box offeriert nun Sony/Columbia mit „The Promise“ von Bruce Springsteen. War schon „Tracks“ von 1998 eine wahre Fundgrube an bis dato unveröffentlichtem Studiomaterial der Jahre 1972-1995, konzentriert sich „The Promise“ auf die Zeit um das 1978 erschienene Album „Darkness On The Of Town“. Zwischen „Born To Run“ und eben „Darkness“ konnte Springsteen wegen eines Rechtsstreits mit Manager Allen Klein keine Songs veröffentlichen, trotzdem, oder gerade deswegen, eine der schöpferischsten Phasen in Springsteens Karriere.

„The Promise“ mit vielen unveröffentlichten Springsteen-Perlen

Das Nachfolgealbum des Meisterwerks „Born To Run“ und leider immer zu Unrecht im Schatten desselbigen stehende „Darkness On The Edge Of Town“ erhält nun die verdiente Aufmerksamkeit. In der Remastered-Fassung erstrahlen die vielen heißgeliebten Klassiker von „Badlands“ und „Something In The Night“ über „Racing In The Street“ und „Promised Land“ bis hin zu „Prove It All Night“ und „Darkness On The Edge Of Town“ in neuem Licht. Wesentlich wichtiger für die Springsteen-Kenner allerdings sind natürlich die beiden „The Promise“-CDs, voller in diesen Versionen noch nicht veröffentlichter Springsteen-Perlen. In der Alternativversion von „Racing In The Street“ sorgt die E-Street-Band um Gitarrist Stevie Van Zandt für einen opulenten und hymnischen Sound, verglichen mit der bekannten CD-Fassung fast schon bombastisch anmutend. „Gotta Get That Feeling“ ist ein wunderbarer E-Street-Shuffle mit satten Bläsern, überschwenglich wie das auf „The River“ erschienene „The Ties That Bind“.

„Because The Night“ und „Candys Boy“

„Outside Looking In“ ist bester Sixties-Rock’n’Roll, vorangetrieben von Garry Tallent am Bass und Max Weinberg an den Drums und vom Saxophonspiel Clerence Clemons’ verfeinert. „Someday (We’ll Be Together)“ gerät mit pathetischen Chören unterlegt eine Spur zu kitschig, vielleicht Springsteens endgültiger Christmas-Song. „Wrong Side Of The Street“ entpuppt sich als eine gut geölte, aus dem Ärmel geschüttelte, Midtemponummer, „Rendezvous“ ist bereits durch die „Tracks“-Box bekannt und „Candys Boy“ entzückt durch das Orgelspiel von Danny Federici. Jeder, der ein Springsteen-Konzert besucht hat und dann noch das Glück hatte, „Because The Night“ live erleben zu dürfen, weiß, welche Kraft und Dynamik dieser Song entwickelt. Hier als Studioalternative zu Patti Smith-Version. Herauszuheben sind auf der ersten Promise-CD definitiv „One Way Street“ und „The Brokenhearted“. Zwei balladeske Stücke, in denen Roy Bittan am Piano den Ton angibt und Bruce den edlen Romantiker, den keiner im Rock’n’Roll-Geschäft so prägnant verkörpert wie Springsteen. Grandiose Songs, endlich dann auch ganz regulär auf CD veröffentlicht.

Bruce Springsteen als Romantiker

Den Romantiker gibt Springsteen gerne auch auf der zweiten Promise-CD, die mit „Save My Love“ beginnt, einer viel zu kurzen Kleinod-Hymne. All die für „Darkness“ nicht gewollten Liebeslieder finden sich nun vereint auf „The Promise“. Diese zwei CDs stellen die perfekte Verbindung von „Born To Run“ zu dem Doppelalbum „The River“ dar. Es gibt wesentlich mehr „Thunder Road“ und „Independence Day“ zu hören, als etwa „Badlands“. Einen mit Handclapping und ausgelassenen Chören ausgestatteten witzigen Bar-Schunkler wie „Ain’t Good Enough For You“ gibt es auf der Darkness“-Platte einfach nicht. „Fire“ ist ähnlich wie „Because The Night“ auf dem Live-Album „1975-1985“ verewigt, während „It’s A Shame“ leichte Jazz-Anleihen erfährt und sich zeitlich eher an Springsteen-Stücke der frühen 70er Jahre orientiert. „Come On (Let’s Go Tonight)“ ist nichts anderes als „Factory“ revisited und mit knapp über zwei Minuten viel zu kurz geraten. „Talk To Me“ überzeugt durch fanfarenartige Bläsersätze, einem discoartigen Beat und ausgelassener Tanzstimmung. Ganz ähnlich verhält es sich bei „The Little Things (My Baby Does)“. Noch etwas hymnischer gestaltet und trotz des sich nach Stadionrock sehnenden Sounds vermittelt Springsteen wieder einmal diese zutiefst empfundene Romantik, wie sie nur der „Boss“ so einzigartig komponieren kann. Zwei glorreiche Balladen mit „Spanish Eye“ (sehnsuchtsvoll) und „Breakaway“ (dramatisch) runden die zweite Promise-CD ab, die mir „City Of Night“ in einer kleinen Nachtmusik ausklingt. Veredelt wird diese Box selbstredend mit dem Titelsong „The Promise“. Es ist die Quintessenz seines damaligen Schaffens, ganz viel „Thunder Road“, jede Menge „Racing In The Street“ und eine Prise „Darkness On The Edge Of Town“. Ein überragendes Stück Musikgeschichte, man ist zu Dank verpflichtet.

Springsteen-Konzerte live auf DVD

Die drei DVDs halten ebenfalls einige Glanzstücke bereit. Neben dem „Making Of Darkness“ das gesamte Album live 2009 im Paramount Theatre in Asbury Park nur für die Kameras aufgenommen, nun mit Charlie Giordano an der Orgel, der den unlängst verstorbenen Danny Federici ersetzt. Dazu lustige Aufnahmen aus den Hinterzimmern im Jahre 1976 und Live-Mitschnitte aus Phoenix von 1978. Es war damals für die jungen Damen im Publikum noch sehr einfach, kurz auf die Bühne zu klettern und Bruce zu umarmen. Auf der dritten DVD dann noch ein knapp dreistündiges Konzert aus Houston, ebenfalls von 1978. Mit „Independance day“, „The Ties That Bind“ und Point Black“ gibt es drei Stücke zu hören, die erst zwei Jahre später auf „The River“ zu Plattenehren kommen. Unbedingt sehenswert. Alles in allem eine prächtige Springsteen-Box. 100 Prozent Bruce, 100 Prozent Rock’n’Roll. Wann folgen die nächsten Ausgrabungen?

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